Alternativen zur Atomenergie-betr.: "Konsens für neue AKW", taz vom 28.1.93

Betr.: „Konsens für neue AKW“, taz vom 28.1.93

Das Interview von Gerd Rosenkranz mit Klaus Piltz, Vorstandsvorsitzender der VEBA, zeigt es wieder mal ganz deutlich: Der oft zitierte Ausstieg aus der Atomenergienutzung ist kein Thema für die Atomindustrie. [...]

Piltz verbreitet dort, daß „die Kernkraftwerke heute zur Sicherung der Stromversorgung (...) unverzichtbar sind“. Abgesehen von den unverantwortbaren Gefahren der Atomenergienutzung ist der Ausstieg sofort möglich. Das Offenhalten der Option Ausstieg bis zu dem Zeitpunkt, wo Alternativen zur Atomkraft erkennbar sind, ist eine Scheinpolitik. Erstens sind die Ansätze da, und zweitens werden die Alternativen erst durch den Ausstieg geschaffen. Das Verzögern allerdings verschlechtert die Chancen zur umweltschonenden Gestaltung des Ausstiegs.

Nach Kenntnis von Klaus Piltz ist „der einzige Weg, das Plutonium loszuwerden, es in MOX- Brennelemente (MOX-BE) zu verarbeiten und dann in Kernkraftwerken zu verbrennen“. Wahr ist: Lediglich ein Teil des spaltbaren Plutoniums wird in andere Spaltprodukte umgewandelt. Abgebrannte MOX-BE enthalten eine deutlich größere Menge Plutonium als herkömmliche Uran-BE. Die Kenntnisse des Herrn Piltz sind entweder beschränkt, oder er sagt die Unwahrheit und will uns absichtlich verschaukeln.

Auch versucht er, diesmal recht dezent, den Treibhauseffekt gegen die Atomindustrie auszuspielen. Aus der schlichten Tatsache aber, daß ein Atomkraftwerk kein CO2 emittiert, darf nicht geschlossen werden, daß ein auf Atomenergie basierendes Energiesystem weniger CO2 emittiert als ein System ohne Atomkraft. Das Gegenteil ist der Fall. Die derzeitige Energie- und Konzernpolitik führt uns zu einer Risikokumulierung; im schlimmsten Fall haben wir es mit einer Klima- und Atomkatastrophe zu tun.

Es gibt Alternativen zu dem jetzigen Versorgungssystem. Langsam wird den PolitikerInnen und den Konzernchefs klar, daß eine vollständige Neubestimmung der Energiepolitik notwendig ist. Vor allem die Energieversorgungsunternehmen müssen erkennen, daß die Zeiten unbeschränkter Geschäfte mit der Ware Energie vorbei sind. Doch gerade sie werden sich mit allen Mitteln wehren gegen eine komplette Umstrukturierung des Energiemarktes. Ihre Konzernstrukturen, basierend auf zentralisierter Elektrizitätserzeugung in Großtechnologien, auf maximalen Energieabsatz zugeschnitten, passen aber nicht mehr in eine Energieversorgung, deren Kernpunkte sein müssen: gesellschaftlich notwendige Energiedienstleistungen wie zum Beispiel warme Wohnungen oder ausreichend Licht mit minimalem Energieeinsatz, der so sicher und billig wie möglich bereitzustellen ist.

Hierfür brauchen wir Akteure, die ein elementares Interesse an einer nutzungs- und bedarfsorientierten Versorgungsstruktur haben, und nicht Männer vom Typ Klaus Piltz. Holger Krämer, Hamburg