piwik no script img

■ Das PortraitGraf Drakula

Dem Fürsten Vlad „in Christo Gottesgetreuer und Christus Liebender und Selbstherrscher, großer Vojevode und souveräner Herrscher und Herr aller Länder der ungarischen Walachei und der Gebiete jenseits des Gebirges“, und zwar von 1456 bis 1462 und nochmals von 1476 bis 1477, auch genannt „Tepes“, der Pfähler, diesem Vlad wurde ein bizarrer Nachruhm beschert. Einen gewissen Ruf hatte sich der Fürst allerdings bereits zu Lebzeiten erworben, galt er doch als ein Meister dreier Künste: der diplomatischen, mit der er jahrelang zwischen dem König von Ungarn und dem Sultan der Pforte um seine Unabhängigkeit feilschte, der militärischen, mit der er seine Untertanen gegen die türkischen Armeen führte, und schließlich der des Pfählens. In dieser „Kunst“ war er am erfolgreichsten, und sie vor allem machte ihn berühmt. Das Geschäft der Marter betrieb er mit Phantasie, Systematik und Ausdauer, und die Zahl seiner Opfer soll in die Abertausende gegangen sein. Wer immer ihm widersprach oder unangenehm auffiel, dem drohte wie allen Kriegsgefangenen der Pfahl.

Foto Nr.2

Gesandten ließ er die Hüte, die sie vor ihm zu ziehen versäumten, auf die Köpfe nageln. Sein größter Genuß war die Mahlzeit unter den Gepfählten. Einer, der sich über den Leichengeruch beklagte, wurde am höchsten Pfahl aufgespießt – weil dort oben die Luft besser sei. Für das Zerstückeln, Braten und Sieden lebender Menschen hatte er besondere Maschinen ersonnen, und auf seinen Feldzügen hinterließ er Leichenfelder und Wälder von Gepfählten. Als Mehmed der Eroberer 1462 gegen Vlad zog, soll er mit seinem Heer bei der walachischen Hauptstadt Tirgoviste an 20.000 gespießten Türken und Bulgaren vorbeimarschiert sein.

Schon bald nach seinem Tode wurde Vlads schauriges Wirken Gegenstand ausführlicher Legenden. Sein Beiname Drakul wurde schnell sein einziger, da er als „Teufel“ oder „Dämon“ zu verstehen war, obwohl er sich wahrscheinlich von einem durch Sigismund gestifteten Drachenorden herleitet. Fürst Vlads seltsamster Ruhm aber begann im Mai des Jahres 1897, als der Londoner Verleger Constable den Roman „Dracula“ von Bram Stoker mit großem Erfolg veröffentlichte. Karl Wegmann

Siehe auch Seite 13

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen