■ Klaus Croissant vor dem Berliner Kammergericht
: Der Spion, der aus dem Nebel kam

Ex-RAF-Anwalt und Stasi-Spitzel Klaus Croissant wird vor dem Berliner Kammergericht der Prozeß gemacht. „Geheimdienstliche Agententätigkeit“, lautet die Anklage: das juristisch-brimborische Synonym für das, was die Szene kurz und treffend ein „Gesinnungsschwein“ nennt. Dahinter steht der Vorwurf, Croissant habe der DDR Erkenntnisse aus der linken Szene und von den Grünen verschafft. Croissant hat sich inzwischen zu seiner Agententätigkeit bekannt.

Obwohl es keinerlei Grund gibt, für Herrn „Taler“ – so sein Deckname bei der Staatssicherheit – Partei zu ergreifen, stellt sich doch die Frage, welche wichtigen Staatsgeheimnisse der Mann denn nun erkundschaftet und weitergegeben hat. Informationen aus der taz, wo seine ebenfalls für die Stasi agierende Lebensgefährtin Brigitte Heinrich gearbeitet hat, waren derart geheim, daß sie am nächsten Tag meist in der Zeitung standen. Die taz war und ist ein offenes Haus, Fraktionsströmungen und Positionen von Redakteuren sind stadtbekannt. Und auch die Grünen pflegten, wie die gesamte linke Szene, ihre Konflikte mit exhibitionistischer Inbrunst in der Öffentlichkeit auszutragen. Hier war nichts geheim, sondern alles bis zum Erbrechen öffentlich. Bleibt das Umfeld der RAF, deren zutiefst profunde Analysen Croissant ausgeplaudert haben könnte.

Man muß sich das einmal plastisch vorstellen: Croissant und vielleicht noch seine Mitstreiter Til Meyer und Dirk Schneider mit ihrem Stasi-Offizier auf dem Schoß bei der morgendlichen Lagebesprechung in einer Ostberliner Konspi-Wohnung. Welche verwertbaren Erkenntnissen sollte dieser wahrhaft furchterregende linksradikale Stammtisch weit weg von jeder Wirklichkeit produziert haben? Doch wohl nur dieses: Bodennebel satt, wolkige Verschwörungstheorien und vielleicht noch ein paar post-revolutionäre Phantasiegebilde. Sollte jemals eine Flop-Ten der schlechtesten Spione aufgestellt werden – unser Trio hätte die besten Chancen auf die Spitzenplätze. Das wichtigste Motiv ihrer Spitzeltätigkeit dürfte inzwischen klar sein: Die Herren fühlen sich gebauchpinselt, daß es tatsächlich jemanden gab, der sich ihr Politkauderwelsch anhörte, ohne sofort die Flucht zu ergreifen. Wenn ihre Einschätzungen tatsächlich jemals bis ins Politbüro vorgedrungen sind, dann haben sie dort zur Desorientierung der alten Männer beigetragen und damit den DDR-Staat geschwächt.

Fazit: Laßt ihn laufen. Croissant sitzt inzwischen seit einem halben Jahr im Knast. Wenn er rauskommt, wartet das Stigma des Verräters auf ihn. Und vor allem: Sein Bekanntenkreis wird auf all jene reduziert bleiben, die noch heute in ihren Herzen die Fahne der DDR hochhalten. Das ist Strafe genug. Manfred Kriener