Bosnische Unklarheiten in Moskau

Offizielle Zustimmung zum Vance/Owen-Plan – in seiner ersten Fassung/ Militärische Maßnahmen nur bei vorheriger Zustimmung der Kriegsparteien/ Alles wartet auf Clinton  ■ Aus New York Andreas Zumach

Nicht nur die USA, auch Rußland tut sich schwer mit einer Positionsbestimmung gegenüber dem Krieg in Bosnien-Herzegowina. Während am UNO-Sitz in New York gestern damit gerechnet wurde, daß Präsident Bill Clinton oder Außenminister Warren Christopher möglicherweise noch heute die Haltung der neuen US- Administration verkünden, herrschte Unklarheit über die Haltung Rußlands. Gegenüber Journalisten betont UNO-Botschafter Julij Woronzow derzeit zwar die „feste Unterstützung Moskaus für den Vance/Owen-Plan“ und fordert dessen „umgehende Billigung im Sicherheitsrat“ sowie die „Annahme durch all drei bosnischen Kriegsparteien“. Der Plan sei „die realistischste Option unter den gegenwärtigen Umständen“. Woronzow legt Wert auf die Feststellung, daß Rußland im bisherigen Friedensprozß eine aktive Rolle gespielt habe. Zumindest in den letzten Tagen der am Sonntag abend ergebnislos abgebrochenen New Yorker Verhandlungen hat Woronzow in mehreren Begegnungen und Telefonaten mit dem bosnischen Serbenführer Radovan Karadžić versucht, diesen zur Annahme des Plans zu bewegen.

Doch die Erklärungen und Aktivitäten russischer Diplomaten und Politiker beziehen sich bisher auf den Vance/Owen-Plan in seiner ursprünglichen, am 2. Januar in Genf auf den Verhandlungstisch unterbreiteten Form. Spätestens seit Anfang der Woche ist jedoch klar, daß der Vance/Owen-Plan nicht zuletzt auf Druck der Clinton-Administration zugunsten der Mulsime und zum Nachteil der Serben verändert wird. Bereits der Bericht, den UNO-Generalsekretär Butros Butros Ghali dem Sicherheitsrat am Montag abend vorlegte, enthält eine neue, von Vance und Owen gezeichnete Karte. Darin werden vier Veränderungswünsche der Muslime gegenüber dem Ursprungsentwurf teilweise erfüllt – darunter zwei von strategischer Bedeutung.

Die neue Karte trifft bei Serbenführer Karadžić daher auf eine noch stärkere Ablehnung als die ursprüngliche. Woronzow hat bislang offengelassen, ob Rußland diese und künftige Veränderungen oder Erweiterungen des Planes mitzutragen bereit ist. So wird damit gerechnet, daß die Clinton-Administration noch weitergehende Gebietskorrekturen zugunsten der Muslime fordern wird. Das bei den Genfer Verhandlungen seit Anfang Januar von Vance und Owen vertretene Prinzip, wonach Änderungen ihres Kartenentwurfes nur bei einem Konsens aller drei Kriegsparteien möglich seien, gilt inzwischen de facto nicht mehr.

Die von Woronzow verlangte Zustimmung aller drei Seiten zu einem Abkommen rückt derzeit in immer weitere Ferne. Die ohnehin eher zögerlich erklärte Bereitschaft Moskaus, militärischen Maßnahmen zuzustimmen und dafür notfalls auch eigene Truppen bereitzustellen, bezog sich auf die Überwachung und Durchsetzung eines Abkommens vor Ort, dem alle Kriegsparteien zuvor am Verhandlungstisch zugestimmt haben. Nach den Entwicklungen der letzten Tage ist es jedoch wahrscheinlich, daß dem Sicherheitsrat ein Abkommen vorgelegt wird, dem alle drei Kriegsparteien nicht zuvor zugestimmt haben.

Ob Rußland im Sicherheitsrat ein Abkommen absegnet, das die Serben nicht unterschrieben haben, wird in New York bisher eher bezweifelt. Ganz zu schweigen von einem Beschluß über militärische Maßnahmen, der sich dann überwiegend oder ausschließlich gegen die serbische Seite richten würde. Zur Haltung Moskaus in einem solchen Szenario wollte Woronzow sich bisher nicht äußern.

Die Clinton-Administration beriet derweil die letzten Details ihrer künftigen Bosnien-Politik. Als sicher gilt inzwischen, daß Vance und Owen ein eigener US-Sonderbeauftragter zur Seite gestellt werden soll, dessen Hauptauftrag es ist, Nachbesserungen des Plans mit den Kriegsparteien auszuhandeln. Bis gestern war noch nicht entschieden, ob die USA Bodentruppen in eine UNO-Streitmacht zur Überwachung und Durchsetzung eines Abkommens entsenden.