Auf großer Fahrt gegen Kuba-Blockade

In Bremen liegt ein kubanisches Schiff mit Maschinenschaden fest/ Güter aus Tauschhandel mit Rußland an Bord/ „Sowjetunion hat uns im Stich gelassen“/ Spendenaktion an Land  ■ Aus Bremen Susanne Kaiser

Schemenhaft ist am Schornstein die geballte Sozialistenfaust durch den Nebel im Bremer Europahafen zu erkennen. Schlaff hängt die kubanische Flagge, in deutschen Häfen höchst selten gesichtet, am Bug des cubanischen Frachters „Ignacio Agramonte“. Nomen est omen: Wie der Namensgeber im kubanischen Unabhängigkeitskrieg den Spaniern trotzte, so trotzt nun der Frachter der noch im letzten Jahr verschärften US-Blockadepolitik gegen Kuba. Die Devisen der Insel in der Krise sind mehr als nur knapp, also heißt das: Tausch von Rohrzucker gegen russische Maschinen. Doch seit Tagen sitzt die „Ignacio Agramonte“, seit dem 8.Januar auf dem Rückweg von St. Petersburg nach Havanna, in Bremen mit einem Ruderschaden fest. Ihre Ladung: einige Tank- Lkw, die flüssigen Mineraldünger für die Zuckerrohrfelder befördern sollen, und Landmaschinen- Ersatzteile für die derzeit auf vollen Touren laufende Zuckerrohrernte. Eine magere Ausbeute aus dem kubanisch-russischen Tauschhandel.

Die wenigen Ersatzteile wurden auf Kuba jedoch so dringend gebraucht, daß ein weiteres Schiff der kubanischen Handelsflotte Teile der Ladung übernahm. Und gleichzeitig einen Matrosen mit einer Blinddarmentzündung: „Die Russen wollten 800 Dollar für die Operation haben“, erzählt Angel Cabello, Bordelektriker auf der „Ignacio Agramonte“. „Tausende von Kindern aus Tschernobyl sind zur Erholung nach Kuba gekommen, aber diese Hilfe hat man wohl vergessen“, fügt er verbittert hinzu.

Überhaupt die Russen: „Die Sowjetunion hat uns im Stich gelassen“, sagt Cabello. Nicht nur, daß in den letzten beiden Jahren gerade mal ein Viertel der versprochenen Ölmenge geliefert wurde. Als die 14.000 Tonnen Zucker der „Ignacio Agramonte“ in St. Petersburg entladen werden sollten, war ein Gesetz im Gespräch, nach dem kubanische Schiffe in Rußland nicht mehr be- und entladen werden sollten. Doch in St. Petersburg gab es keinen Zucker mehr – die Fracht wurde gelöscht, und jetzt ist immerhin ein Vertrag über die Lieferung von einer Million Tonnen Rohrzucker unter Dach und Fach.

Solche Auseinandersetzungen mit dem einstigen großen Bruder wiegen für die kubanische Schiffsbesatzung sehr viel schwerer als die Auswirkungen des US-Embargos, die jedes kubanische Handelsschiff permanent zu spüren bekommt. Im Vorfeld zum sogenannten „Cuban Democracy Act 1992“, einem US-Gesetzesentwurf, der mit Druckmitteln auf Kubas Handelspartner die vollständige wirtschaftliche Isolierung Kubas vorsieht, erließ Ex-Präsident Bush ein Gesetz, das Schiffen, die mit Kuba Handel treiben, das Einlaufen in US-amerikanische Häfen verbietet. „Auf der letzten Reise lagen wir in Rotterdam neben dem Schiff eines norwegischen Reeders, das Stahl nach Detroit bringen sollte. Doch weil es eine kubanische Besatzung hatte, durfte es nicht in den USA landen – der Reeder hat sich auf der Stelle eine philippinische Crew gesucht, und die Kubaner durften nach Hause fliegen.“ Solche Geschichten können Angel Cabello und Fidel Cardero, der Steuermann, stundenlang erzählen. Über schikanöse Drogen-Razzien der US-Küstenwache auf kubanischen Zuckerfrachtern. Über Propagandameldungen im US-Radio. Lächelnd. „Die Amis können es doch nur nicht haben, daß wir mehr Goldmedaillen gewinnen als sie“, lacht Fidel Cardero.

„Wir sind zur Zeit in der schwierigsten Etappe der Revolution“, sagen die beiden Seeleute. „Aber die Kubaner sind an das Embargo gewöhnt“, fügt Cabello hinzu. Und: „Wir sind auch nach 30 Jahren noch bereit, weiterzukämpfen.“ Keinen Gedanken verschwendet die Crew auf die Idee, sich hier abzusetzen: „Wir wollen zurück, so schnell wie möglich.“

Mit an Bord werden bei der Rückreise – die sich verzögert, da der Hafenagent zur Zeit nicht bezahlt werden kann – eilig gesammelte Hilfsgüter und Spenden sein, die Privatpersonen organisiert haben. 3.500 Mark, Bekleidung, Arbeitsschuhe, Kühlschränke, Schreibmaschinen, ein Faxgerät, das alte Narkosegerät eines Kieferchirurgen. Alles wird gebraucht. „Wir wußten nicht, daß es auch in Deutschland Menschen gibt, die uns helfen wollen“, sagt Cabello. Wo doch am 3.Oktober 1990 sämtliche ostdeutschen Lieferungen, vor allem von Milchpulver, abrupt eingestellt wurden. Doch die Stadt Bremen hielt sich bei der Aktion zurück – im Gegensatz zur spanischen Hafenstadt Cadiz: Bei einem Stopp organisierte dort der Bürgermeister angeblich Hilfe im Umfang von fünf Millionen Dollar – dagegen ist die Bremer Aktion nur eine Geste.