Stahl: Rheinhausen gegen Dortmund

■ Krupp-Hoesch sagt offen: Einer der beiden Standorte wird stillgelegt/ Bundesregierung ist dafür

Dortmund (taz) – Der fusionierte Stahlkonzern Krupp-Hoesch wird aller Voraussicht nach einen kompletten Stahlstandort stillegen. Das hat der Vorstandsvorsitzende der Hoesch Stahl AG, Hans Wilhelm Graßhoff, gestern erstmals öffentlich ausgesprochen. Die Entscheidung fällt zwischen der Rohstahlbasis von Hoesch in Dortmund und der von Krupp in Rheinhausen. Graßhoff, der die bald auch formal vereinigten Stahlgesellschaften von Krupp und Hoesch künftig als Vorstandsvorsitzender führen soll, kündigte gegenüber den Hoesch-Vertrauensleuten in Dortmund an, daß das Unternehmen sich für den kostengünstigsten Standort entscheiden werde.

Mittelfristig erwarte Krupp-Hoesch einen monatlichen Stahlabsatz von 550.000 bis 570.000 Tonnen. Der neue Stahlkonzern verfügt über drei Standorte in Duisburg-Huckingen, Duisburg-Rheinhausen und Dortmund mit einer Gesamtkapazität von 700.000 Monatstonnen. Die Produktion der erforderlichen Menge ist nach den Worten von Graßhoff „an zwei Standorten denkbar“. Da der Weiterbetrieb der Werke in Duisburg-Huckingen wegen der günstigen Kostenstruktur feststeht, trifft es einen der beiden anderen Standorte. Noch sind die Wirtschaftlichkeitsberechnungen Graßhoff zufolge nicht abgeschlossen. Wie viele Arbeitsplätze endgültig zur Disposition stehen, ließ der Stahlboß offen.

Das Unternehmen hatte erst vor wenigen Tagen als kurzfristige Reaktion die vorübergehende Stillegung eines Hochofens in Dortmund von 1. März bis Ende Juni angekündigt. Danach soll der Hochofenbetrieb in Rheinhausen bis zum Ende des Jahres ruhen. Doch dieser Blockstillstand reicht offenbar nicht. Man werde trotz des drastischen kurzfristigen Kapazitätsschnittes „blutrote Zahlen schreiben“, sagte Graßhoff. Nach den Ankündigungen des Vorstandsvorsitzenden wird die Forderung der Belegschaftsvertreter nach dem „Erhalt aller Stahlstandorte“ wohl kaum noch durchsetzbar sein. Betriebsräte und Vertrauensleute von Hoesch und Krupp wollen jetzt durch eine Vielzahl von Aktionen gemeinsam versuchen, das Blatt noch einmal zu wenden. Im Gespräch sind Stahlarbeitermärsche nach Bonn und Brüssel sowie Lichterketten.

Wir müssen viel lauter werden, hieß es gestern in Dortmund, „denn auf einfache Demonstrationen scheißen doch die Politiker“. Während die deutschen Stahlindustriellen einen Abbau von 25.000 Arbeitsplätzen erwarten, rechnet der Essener Stahlforscher Helmut Wienert in einem Gespräch mit der taz mit einer weitaus günstigeren Entwicklung. In einer aktuellen Stunde des Bundestages lehnte Wirtschaftsminister Günter Rexrodt die von der SPD geforderte „nationale Stahlkonferenz“ ab und forderte statt dessen alle deutschen Stahlunternehmen auf, ein Strukturkrisenkartell zu bilden. J.S.

Tagesthema Seite 3