"Was hat denn der 'Westen' schon Großes geleistet?"

■ Aram Ockert (GAL) bezweifelt die moralische Berechtigung des Westens, in Bosnien einzugreifen

DEBATTE

»Was hat denn der 'Westen‘ schon Großes geleistet?«

Aram Ockert(GAL) bezweifelt die moralische Berechtigung des Westens, in Bosnien einzugreifen

Die Grünen lehnen eine militärische Intervention im ehemaligen Jugoslawien ab. Dies hat die Hamburger GAL nicht beschlossen, aber sie hätte es beschließen können, und viele, die jetzt empört sind, wären zufrieden gewesen. Wieso aber sollten wir eine militärische Intervention ausdrücklich in Bosnien ablehnen, wo wir doch ohnehin jede militärische Intervention der deutschen Bundeswehr oder der Nato bislang grundsätzlich und in jedem Fall abgelehnt haben?

Heute soll Empörung über kriegerische Greuel den Gedanken auslösen, der Westen soll militärisch intervenieren, zumindest im ehemaligen Jugoslawien. Krieg aus humanitären Gründen. Frieden das Ziel, Krieg ist das Mittel. Das sind ja nun beileibe keine neuen Argumente, nur ist es eben ein Unter- schied, ob die Grünen oder Manfred Wörner die Nato als größte Friedensbewegung der Welt darstellen.

Was eigentlich hat „der Westen“ Großes geleistet, daß er heute wie selbstverständlich als Garant der Menschenrechte besprochen wird? War es der Einsatz 1983 gegen die Regierung des New Jewel Movement auf Grenada, 1986 die Bomben auf Tripolis/Libyen, um Gaddafi zu liquidieren, 1989 der US-amerikanische Überfall Panamas, um Noriega gefangen zu nehmen, die Hochrüstung Iraks durch „den Westen“, zum Zwecke des Krieges gegen den Iran von 1980 bis 88 mit dem Ergebnis Hunderttausender Verletzter und einer Million Toter? Oder war es der Wüstensturm gegen den aus dem Ruder laufenden Saddam Hussein? Was hat den Meinungswandel bewirkt, der bezogen auf das ehemalige Jugoslawien heute das fordert, was in bezug auf Afghanistan als Argument für sowjetischen Imperialismus herhalten mußte?

Diese Erweiterung des Meinungsspektrums in den Grünen, der religiöse Richtungswechsel — FAZ in Franfurt, unsere täglich Meinung gib uns heute ... — schließt perspektivisch nicht nur mich aus den Grünen aus. Zu den minimalen Erwartungen an eine Partei, in der ich Mitglied bin, gehört der Konsens darüber, daß, wenn es schon eine Bundeswehr gibt, diese nichts anderes zu tun hat, als darauf zu warten, daß die Bundesrepublik Deutschland angegriffen wird. Der „Westen“ befördert auf der einen Seite die Gründung neuer Nationalstaaten und führt auf der anderen Seite Debatten über humanitäre Interventionen, ganz so, als sei die Phase der Nationalstaaterei bereits Vergangenheit. „Weltinnenpolitik“ heißt heute, was früher Imperialismus genannt worden wäre. Während „der Westen“ wie selbstverständlich den Globus als sein Eigentum betrachtet, wird die Bewegungsfreiheit des „Nichtwestmenschen“ immer mehr eingeengt. Das Motto: Freiheit für „den Westen“, Heimatknast den Resten.

Soll man lachen oder weinen, daß 30 Grüne aus Hamburg kaum 200 Kilometer von Rostock entfernt fordern, in Jugoslawien sollen ethnische Säuberungen durch westliche Armeen beendet werden? Bezogen auf den Einsatz der Bundeswehr brächte das zumindest Verfassungsprobleme mit sich. Während an den Einsatz der Bundeswehr in Rostock zum Zeitpunkt polizeilich geduldeter Massenmordversuche an Ausländern noch nicht einmal gedacht wurde, obwohl dies die Verfassung in Art. 87a (4) in Verbindung mit Art. 91 (2) GG ausdrücklich zuläßt.

Noch gibt es gute Chancen, diese Entwicklung der GAL und damit der Grünen zur parteiförmigen Veranstaltung zwecks Abfeierung des siegreichen Kapitalismus zu verhindern. Wer meint, das ginge ohne Streit, sollte es allerdings gar nicht erst versuchen!