Die Höflichkeit der Schönheit

■ „Twinkle“ von George Matsuokas im Forum

George Matsuokas Dreiecksgeschichte ist einfach wie ein schönes Musikthema: Mutsuki Kishida (Etsushi Toyokawa), ein junger schwuler Arzt heiratet zur Wahrung der gesellschaftlichen Etikette und zur vermeintlichen Beförderung seiner Karriere Shoko Koyama (Hiroko Yakoshimaru), eine Dolmetscherin mit Alkoholproblemen. Shokos Eltern wissen nichts von der Homosexualität ihres Schwiegersohns, Mutsuki hat einen Geliebten. Shoko versucht, sich mit Kon, dem Freund ihres Mannes zu verbünden. Der weist sie eifersüchtig ab. Das junge Ehepaar verliebt sich ein bißchen ineinander. Nach den zu erwartenden Komplikationen mit den Eltern des Brautpaares, suchen die drei ihr Glück und finden es für einen Abend.

Westeuropäische oder amerikanische Regisseure hätten aus der Geschichte entweder eine Komödie oder einen Thriller gemacht, bei dem die HeldInnen schweigend oder geschwätzig, in jedem Fall bemüht authentisch, ein wenig gewalttätig-verzweifelten Sex hätten mimen müssen, um die eigene Leere zu füllen.

Japanische Filme sind da im Allgemeinen diskreter – wo in westlichen Filmen jeder der drei miteinander geschlafen hätte, umhalsen sich in „Twinkle“ nur Mutsuki und sein Freund sehr begeistert. Wo die westlichen Trendsexproduzenten Liebe mit Distanzlosigkeit und Leidenschaft mit Autismus verwechseln, ist George Matsuoka behutsam und freundlich. Aus Achtung vor sich selbst und aus Achtung vor ihren Rollen bewahren die Protagonisten immer eine minimale Distanz zur Geschichte. Diese Distanz, die am ehesten an die Filmhelden Tsui Harks denken läßt, macht sie souverän. Auch in der größten Verzweiflung, werden sie nie identisch mit dem, was sie tun oder sagen oder die Leidenschaft ihnen diktiert — und dadurch sind sie schön. Ihre Schönheit ist eine Art selbstverständlicher Höflichkeit gegen sich selbst, die manchmal ironisch, manchmal kindlich, manchmal auch ungeheuer komisch ist: Wenn die Mutter ihrem Sohn rät, doch wenigstens einmal zu versuchen, mit seiner Frau zu schlafen und er ganz ernsthaft antwortet: „Eine revolutionäre Idee“; wenn Mutsuki seine Frau mit einem Liebhaber ertappt und beide auf die ehemännlich- wütende Frage, ob sie Spaß miteinander gehabt hätten mit einem schüchternen „Ja“ im Chor antworten; oder wenn Shoko zwei Serviererinnen, die als Running Gag durch den Film eilen, lustig anpflaumt und die beiden mädchenhaft über sie tuscheln. Wenn Shoko betrunken ist, ist sie betrunken und spielt gleichzeitig fast wie ein Kind, das sich vorstellt, wie Erwachsene sind, wenn sie betrunken sind. Nach diversen Komplikationen und Konstellationen – einmal liegen alle drei in einem Bett und ihre Wangen berühren sich geschwisterlich – nach wunderschönen Bildern (einsame Straßen oder U-Bahnen sind immer Klasse), trennt sich das Ehepaar, die schwulen Liebenden bleiben zusammen. Am Ende bleibt die schönste Melancholie und klingt langsam aus. Drei in der Nacht angestrahlte Zebras spielen auf der Leinwand eines Autokinos.

Wo die Liebesgeschichten des Kinos so einfach und traurig sind, sind sie am schönsten; wo die HeldInnen noch ganz ernsthaft, sorgsam und unspektakulär nach Glück suchen und es am Ende natürlich nicht finden, kommt das Glück zum Zuschauer. Der taumelt dann geblendet vom Licht aus dem Kino und beschließt — für ein paar Stunden zumindest — liebevoller zu sich und den anderen zu sein. Detlef Kuhlbrodt

George Matsuoka: „Kira Kira Hikaru/Twinkle“, Japan 1992, 103 Min. Mit Hiroko Yakoshimaru, Etsushi Toyokawa u. a.

HdKW: 12.2., 18 Uhr; Delphi-Filmpalast: 19.2., 24 Uhr; Arsenal: 20.2., 15 Uhr.