Verfassungsschutz heischt um Mitleid

■ Die bohrende Frage nach dem Daseinszweck der beamteten Schnüffler: Eine Ausstellung des Kölner Bundesamtes im Säulensal des Roten Rathauses bemüht sich redlich um überzeugende Antworten

Mitte. Es ist wahrhaftig kein leichter Job, beim Geheimdienst zu sein. Ständig in der öffentlichen Kritik zu stehen und erklären zu müssen, warum man gebraucht wird. Denn was Effizienz betrifft, ist seit dem lautlosen Ende der DDR doch ein gewisses Mißtrauen gegenüber den grauen Damen und Herren in den diversen Diensten angebracht. Schließlich konnte die hochgerüstete Mielke-Truppe den Untergang des Arbeiter- und Bauernstaates nur verzögern. Diese leisen Zweifel am Sinn und Zweck ihrer Tätigkeit müssen die Macher der Ausstellung „Der Verfassungsschutz im demokratischen Rechtsstaat“ auch beschlichen haben. Nicht anders ist zu erklären, warum auf einer der letzten Schautafeln im Roten Rathaus – wo die Ausstellung seit gestern zu sehen ist – jener wehleidige Satz steht, der die psychische Verfassung ihrer Organisation zusammenfaßt: „Wir sind nicht unfehlbar. Aber manche Kritik an uns ist ungerecht.“ Weil Verfassungsschützer gemeinhin wissen (sollten), was die Bevölkerung im Innersten denkt, haben sie sich einem Vorwurf ganz besonders gewidmet: nämlich der Zwillingsbruder der Stasi zu sein. So wird der Neubundesbürger und der ewig nörgelnde Alt-Linke darüber aufgeklärt, daß der Verfassungsschützer im Gegensatz zur Stasi „an Recht und Gesetz gebunden“ sei. Und damit es auch der letzte Skeptiker versteht, folgt das Beruhigungsmittel gleich hinterher: „Und wir halten uns auch daran.“ Ja, sie haben es wahrlich nicht leicht. Vor allem, seitdem ihnen ihr liebstes Feindbild, die Linken, ein wenig abhanden gekommen ist. Nun also haben die Rechtsextremisten die Ehre, als erste in der Ahnengalerie erwähnt zu werden. So ganz scheint die Umgewöhnung noch nicht gelungen zu sein. Die Abteilung „Linksextremismus“ wird schon rein optisch mit einer – im Vergleich zu den anderen Tafeln – überdimensionierten Schrift aufgemacht. Titel: „Das andere Extrem. Diktatur von ,links‘“. Da werden die Besucher dann im Stil des Schulfunks belehrt, daß „alle Linksextremisten“ dasselbe wollen: „Die Abschaffung der Demokratie“. Was die Verfassungsschützer nicht daran hinderte, einen Spruch der Kommunistin Rosa Luxemburg leicht abgewandelt in ihre Selbstdarstellung zu übernehmen: „Die Freiheit ist immer die des Andersdenkenden.“

Trotzdem: Den meisten Besuchern wird es wohl wie jenem skeptisch dreinblickenden Beat-Paar gehen, das auf einem Bild zu sehen ist und auf dem die Aussteller sich im Begleittext fragen, warum „vor allem viele junge Menschen dem ,Verfassungsschutz‘ ablehnend gegenüberstehen“. Ja, warum nur? Severin Weiland

Bis 24. Februar im Roten Rathaus