S-Bahn verliert Niveau

■ Bundesverkehrsminister Krause verfügt Senkung der "Standard-Fußbodenhöhe" von Bahnsteigkanten

Berlin. Wer künftig in die S-Bahn steigt, kann leicht ins Stolpern kommen. Je nachdem, ob er sich auf einem der bestehenden oder auf einem der noch zu errichteten Bahnhöfe befindet, ob ein alter Zug oder einer der neuen Baureihe einfährt, muß er seinen Schritt heben oder senken. Schuld an dieser neuen Unausgewogenheit ist die „Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung“ (EBO), die nach dem Willen von Bundesverkehrsminister Günther Krause seit 1. Januar diesen Jahres auch in Berlin Geltung erhält. Sie schreibt bundeseinheitlich die Höhe der Bahnsteigkanten vor. Ob Stuttgart oder München, ob Hamburg oder Berlin, überall soll sie gleichermaßen exakt 96 Zentimeter betragen. Die Berliner S-Bahn-Nutzer waren bislang über dieses Niveau erhaben, sie bestiegen ihre Züge in einer lichten Höhe von 1,03 Meter.

Das Recht dazu gab ihnen eine Ausnahmegenehmigung, die der ehemalige Verkehrsminister der DDR, Otto Arndt, erlassen hatte, um Behinderten den Einstieg zu erleichtern. Diese Ausnahme wurde auch für den Senat zur Regel, als er in den achtziger Jahren die S-Bahn übernahm und sanierte. Bei allen bisherigen Instandsetzungen hielt man sich an dieses Maß, durch das den Behinderten ermöglicht wird, die Differenz zur durchschnittlichen Fußbodenhöhe der Waggons von 1,10 Meter leichter zu überbrücken.

Krause will nun die „Standard- Fußbodenhöhe“ bundeseinheitlich auf einen Meter festgelegt wissen. In der Berliner Verkehrsverwaltung hört man darob schon den Amtsschimmel wiehern, man habe eigentlich, gesteht Sprecher Tomas Spahn, Wichtigeres zu tun, als sich um das Ausloten von Bahnsteigkanten zu kümmern. Senator Herwig Haase will sich nun in Bonn um eine Verlängerung der Ausnahmeregelung bemühen. Er kann immerhin darauf verweisen, daß Krauses bundeseinheitliche Standard-S-Bahn-Züge sowieso nicht so ohne weiteres in Berlin einsetzbar sind. Denn in der Stadt wird mit Gleichstrom gefahren, im übrigen Bundesgebiet, mit Ausnahme Hamburgs, bewegt sich die S-Bahn mittels Wechselstrom vorwärts, eine Umrüstung wäre folglich auf jeden Fall erforderlich, um mit anderen Zügen in Berlin zu fahren.

Doch Haase scheint dem Erfolg seiner eigenen Argumentation nicht ganz zu trauen, denn die jüngst für die Berliner S-Bahn georderte neue Serie von Zügen hat sein Haus schon umbestellt. Diese werden nun mit einer lichten Einstiegshöhe von einem Meter geliefert. Auch bei den jetzt anstehenden Instandsetzungen werden die Bahnsteige auf das von Bonn geforderte Maß heruntersaniert, bei den bereits fertiggestellten will man jedoch einer Absenkung hinhaltenden Widerstand leisten. dr