■ Zum Totalkollaps der italienischen PSI
: Sozialisten, was nun?

Daß mit dem spektakulären Rückzug des italienischen Justizministers Claudio Martelli aus dem Amt und darüber hinaus aus seiner Partei der letzte noch einigermaßen präsentable Kandidat der Linken abtritt, bedarf keiner weiteren Worte. Der ehemalige Craxi-Zögling und nun vehemente Gegner des mit Korruptionsverfahren überschütteten Sozialisten- Oberen hat sicher nicht die Qualitäten zum großen Staatsmann. Auch er schleift allerhand unappetitliche Verdächtigungen hinter sich her. Aber immerhin war er der erste, der – wenn auch zum größten Teil eigennützig – die alte Garde seiner Partei entschlossen zum Abtreten aufgefordert und nach einem Neuanfang gerufen hat.

Dennoch ist das Wegfallen Martellis im Gesamtrahmen des Sozialisten-Desasters allenfalls ein weiterer Meilenstein: Er ist weder der Höhepunkt noch der Schlußstrich unter den Kollaps einer einst zu den Hoffnungen Europas gezählten Partei. Wie einst Caligula im alten Rom zeigen wollte, zu welcher Absolutheit ein Kaiser fähig ist und deshalb ein Pferd zum Konsul ernannte, haben Italiens Sozialisten den Bürgern bewiesen, wozu unkontrollierte Regierungen und Parteichefs fähig sind. Vom letzten Bürgermeister bis hinauf in die obersten Führungsetagen sahen sie ihr Handeln als jeglicher Gerichtsbarkeit entzogen, betrachteten den Staat als ihnen ohne Einschränkung zustehendes Ausbeutungsobjekt.

Geradezu skurril hieran ist: Obwohl es jahrzehntelang vor allem die christdemokratische Partei Italiens war, die den Staat plünderte und parallel zur PSI auch heute in respektable Korruptionsskandale verwickelt ist, spricht kaum jemand von der „Democratia Cristiana“. Nein. Die gesamte Skandalreihe trägt nun den Namen „Sozialismus“. Und das, nachdem das Wort seit dem Zusammenbruch des „Realsozialismus“ sowieso nur noch schwer haltbar ist.

Nicht auszuschließen, daß diese Entwicklung recht bald weit über Italien hinausgreift. Zwar sind die Skandale, die anderswo regierende Sozialisten, etwa in Spanien oder in Frankreich, ausgelöst haben, gemessen an Italien noch eher bescheiden. Doch daß das wenige Vertrauen in den Begriff „Sozialismus“ durch die ans Licht kommenden italienischen Genossen von Tag zu Tag weiter sinken wird, ist vorauszusehen. Die Sozialistische Internationale täte gut daran, hier nicht nur ein, sondern viele klärende Worte zu sprechen – nach innen wie nach außen. Werner Raith, Rom