Kosovo-Flüchtlinge ausgewiesen

■ Norwegen: Truppen schicken und Asylbewerber hinterher

Oslo (taz) – Norwegens sozialdemokratische Regierung hat entschieden, 2.000 kosovo-albanische Flüchtlinge auszuweisen. Die Flüchtlinge könnten keine individuellen Asylgründe geltend machen und müßten derzeit auch keine Verfolgung in ihrer Heimat befürchten, hieß es zur Begründung. Bei den linken und liberalen Oppositionsparteien und bei Flüchtlingsorganisationen ist die Entscheidung auf vehemente Kritik gestoßen. In internationalen Gremien, wie den Vereinten Nationen und der KSZE, hat sich Norwegen mit Initiativen hervorgetan, die auf die drohende Kriegsgefahr im Kosovo Bezug nehmen. An dieser Einschätzung hält man in Oslo auch ausdrücklich fest, sieht hierin aber kein Hindernis für aktuelle Ausweisungen. „Eine skandalöse Doppelmoral“, so Annette Thomessen, Generalsekretärin der „Norwegischen Organisation für Asylsuchende“ (NOAS).

NOAS steht mit dieser Einschätzung nicht allein. Mehrere skandinavische Flüchtlingsorganisationen hatten schon Ende letzten Jahres Alarm geschlagen, als Schweden den Ausweisungsstopp für kosovo-albanische Flüchtlinge aufgehoben hatte. Hinter der jetzigen Entscheidung Oslos dürfte auch die Furcht stecken, als einziges Asylland Nordeuropas für Kosovo-AlbanerInnen übrigzubleiben, nachdem vor einigen Tagen auch Dänemark bekannt gemacht hatte, man werde kosovo-albanische Flüchtlinge abschieben. Bei der „gemeinsamen nordischen Linie“, der die sozialdemokratische Justizministerin Grete Faremo folgen will, nimmt Oslo auch ausdrücklich Bezug auf diese Entwicklung in den Nachbarländern. Zur Rechtfertigung muß auch eine ziemlich gewundene Stellungnahme des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge herhalten, die Faremo zu der Feststellung nutzte: „Das UNHCR hat jedenfalls keine konkreten Einwendungen.“

Parlamentarische und außerparlamentarische KritikerInnen versuchen jetzt den grundsätzlichen Ausweisungsbeschluß in letzter Minute zu stoppen. Kjell Magne Bondevik, Vorsitzender der Christlichen Volkspartei: „Angesichts einer so explosiven Lage im Kosovo ist ein solcher Beschluß absolut unverständlich.“ Und die Sozialistische Volkspartei wirft der Regierung vor, „völlig verantwortungslos“ zu handeln.

Pünktlich zum Beginn der Abschiebungsvorbereitungen reiste vorgestern der erste Teil der nordischen UN-Truppe aus Stockholm ab, die genau im kosovo-albanischen Grenzdreieck Albanien- Mazedonien-Serbien Dienst tun soll. Begründung des Truppeneinsatzes: ein drohender Kriegsausbruch. Sarkastischer Vorschlag eines Journalisten: Für Flüchtlingsabschiebungen und Truppentransporte könnten ja gemeinsame Flüge koordiniert werden. Reinhard Wolff