Die US-Seifenblase ist geplatzt

Washington kündigt an, sich aktiv an den Friedensbemühungen für Bosnien zu beteiligen, doch die vorgeschlagenen Maßnahmen bleiben hinter den Versprechungen zurück  ■ Aus Washington Andreas Zumach

„Jetzt ist die Seifenblase endgültig geplatzt. Die Clinton-Boys haben den halbwegs geordneten Rückzug angetreten.“ Mit diesen Worten kommentierte ein enger Vertrauter von Cyrus Vance und David Owen den Auftritt von Warren Christopher auf einer Pressekonferenz am Mittwoch nachmittag in Washington, auf der der US-Außenminister die „volle Unterstützung der Clinton-Administration für die Bemühungen“ der beiden Unterhändler von UNO und EG im Bosnien-Konflikt verkündete.

Seit ihrem Amtsantritt vor drei Wochen hatten Präsident Bill Clinton, Außenminister Christopher und Pentagonchef Les Aspin mehrfach massive Vorbehalte gegen den nach fünfmonatigen Verhandlungen vorgelegten Vance/ Owen-Plan für Bosnien geäußert. Insbesondere durch die vorgesehene Provinzaufteilung zementiere der Plan die ethnische Spaltung Bosnien-Herzegowinas und benachteilige die Muslime bei gleichzeitiger Belohnung der serbischen Aggression.

Zeitweise erweckte die Clinton- Administration den Eindruck, sie entwickele Alternativkonzepte zum Vance/Owen-Plan und sei bereit, diese notfalls auch allein und mit militärischen Mitteln gegen die Serben durchzusetzen. Damit schürte sie Hoffnung bei der mehrheitlich muslimischen Regierung Bosniens, deren Vertreter am New Yorker Verhandlungstisch, Außenminister Haris Silajdzic, daraufhin nicht mehr bereit war, über die beiden noch umstrittenen Teile des Vance/Owen-Planes (Provinzkarte, Übergangsregelung bis zu Wahlen) überhaupt zu diskutieren.

Um den Anschein der eigenen „Initiative“ wenigstens halbwegs zu wahren, erklärte Christopher am Mittwoch, die Clinton-Administration werfe nun „das volle Gewicht der US-Diplomatie in die Friedensbemühungen“. Sämtliche Maßnahmen und Absichtserklärungen, die der Außenminister dann verkündete, waren bereits seit Anfang dieser Woche bekannt geworden:

Für die weiteren Verhandlungen mit den drei bosnischen Kriegsparteien wird Vance und Owen mit dem ehemaligen Rüstungskontrollbotschafter Reginald Bartholomew ein US-Sonderbeauftragter „zur Seite gestellt“. Laut Christopher wird Bartholomew jedoch weder ein neues Verhandlungskonzept noch eine neue Provinzkarte mit an den Verhandlungstisch bringen. „Zur großen Überraschung von Vance und Owen“, so Sprecher Eckhard. Die beiden Unterhändler hätten „noch bis Mittwoch morgen fest zumindest mit der Vorlage einer Muslim-freundlicheren Karte gerechnet“.

Zum zweiten wollen sich die USA für die „Verschärfung“ der Wirtschaftssanktionen gegen Serbien „einsetzen“. Bei dieser Absichtserklärung, die ähnlich in den letzten Monaten schon häufig aus Washington und anderen westlichen Hauptstädten zu hören war, ließ Christopher offen, ob damit zusätzliche Sanktionen gemeint sind oder lediglich die striktere Durchsetzung der vom UNO-Sicherheitsrat im Mai letzten Jahres beschlossenen Maßnahmen.

Unklar blieb auch, mit welchen konkreten Schritten die US-Regierung für die von ihm angekündigte „Einrichtung eines Kriegsverbrechertribunals“ sowie für die „Verstärkung der humanitären Hilfe für die BewohnerInnen Bosniens“ sorgen will.

Überlegungen, sich im Sicherheitsrat für eine Aufhebung des Waffenembargos an die bosnische Regierung einzusetzen, hat die Clinton-Administration laut Christopher „endgültig aufgegeben“. Zur Teilnahme an militärischen Aktionen im Rahmen von UNO oder Nato zwecks Durchsetzung eines Abkommens seien die USA zwar „grundsätzlich bereit“. In einem Telefonat teilte der Außenminister dem republikanischen Senator Richard Lugar mit, Washington wolle sich bei Bedarf mit 5.000 bis 10.000 Soldaten an einer 40.000 Mann starken internationalen Truppe beteiligen. Zum „jetzigen Zeitpunkt“ seien derartige Maßnahmen oder auch nur entsprechende Drohungen „jedoch nicht sinnvoll“. Zu welcherart militärischen Maßnahmen die USA bereit wären, wenn diese diplomatischen Bemühungen endgültig scheitern, wollte Christopher nicht erläutern.

Die Absage an eine Aufhebung des Waffenembargos beziehungsweise militärische Maßnahmen gegen die Serben, die Clinton während des Präsidentschaftswahlkampfes im August gefordert hatte, begründete Christopher damit, diese Optionen stünden „wegen der inzwischen veränderten Situation nicht mehr zur Verfügung“. Was Christopher nicht erwähnte: Bei den intensiven Konsultationen der letzten Tage mit Moskau hatten die Russen klargemacht, daß sie zum jetzigen Zeitpunkt weder eine wesentlich zugunsten der bosnischen Muslime veränderte Provinzkarte noch militärische Maßnahmen gegen die serbische Seite mitzutragen bereit sind. Den Verzicht auf derartige Maßnahmen begründete Christopher offiziell damit, die bosnischen Serben seien „der Unterschrift unter ein Abkommen relativ nahe“.

Serbenführer Karadžić äußerte sich denn auch hochzufrieden, daß „die USA in den Balkan zurückgekehrt“ seien. Auch Außenminister Silajdzic begrüßte die jüngste Entwicklung und erklärte die Bereitschaft seiner Regierung, jetzt wieder über alle Teile des Vance/ Owen-Plans zu verhandeln.