Italien: Hoffnungslos, aber nicht ernst

Nach dem Rücktritt von Justizminister Martelli retten Staatspräsident Scalfaro und die oppositionelle PDS die Regierung Amato/ Die sozialistische Partei ist völlig kopflos  ■ Aus Rom Werner Raith

Italiens Staatschef Oscar Luigi Scalfaro zeigt immer mehr das Zeug, das in ihm steckt: Anders als sein Vorgänger, der das bestehende System mit den berühmten „Pickelschlägen“ in Stücke zu hauen versuchte, hält Scalfaro zusammen, was sich irgendwie noch zusammenhalten läß. „Kommt nicht in Frage“, beschied er gestern, gerade auf Besuch in Triest, Regierungschef Giuliano Amato. Sozialist Amato hatte ihm seine Demission angeboten: Tags zuvor war Justizminister Claudio Martelli – ebenfalls Sozialist – zurückgetreten, nachdem gegen ihn ein Ermittlungsverfahrens wegen Verdachts der Beteiligung am betrügerischen Bankrott der „Banco ambrosiano“ im Jahr 1981 eingeleitet worden war. Die italienische Regierung ist damit in eine schwere Glaubwürdigkeitskrise gestürzt. Doch Scalfaro sieht das anders: wenn Martelli als Justizminister zurücktrete, sei das eine persönliche Sache, die Regierung habe sich um anderes zu kümmern als um die Sanierung einer Partei, und sei es auch die des Ministerpräsidenten selbst.

Scalfaro hatte sich freilich zuerst rückversichert: Die größte Oppositionspartei, die ehemals kommunistische „Partei der demokratischen Linken“ (PDS), hatte ihm Stillhalten versprochen. Obwohl sie vorige Woche ein Mißtrauensvotum eingereicht hatte und damit abgeschmettert worden war, möchte sie nun die Regierungs- nicht zur Staatskrise ausarten lassen. Die Administration soll wenigstens noch einige Wochen bekommen, um die auch von Oppositionellen gutgeheißene Sanierung des Haushalts fortführen zu können. Zuspruch kam auch von den Industriellen und den Gewerkschaften: Auf keinen Fall dürfe man jetzt die eigene Bevölkerung und das Ausland noch mehr verunsichern. Die massive Wirtschaftskrise sei schon schlimm genug.

Dennoch beherrscht das Thema Martelli die politische Diskussion und insbesondere den Sonderparteitag der italienischen Sozialisten, der gestern in Rom begonnen hat. Mit seinem gleichzeitig mit der Demission vom Ministeramt verkündeten Austritt aus der PSI hat Martelli seiner Partei eine schwere Hypothek aufgebürdet. Einerseits scheidet damit einer der wenigen noch als präsentabel geltenden Hoffnungsträger aus, andererseits hat er die mühsam formierte parteiinterne Opposition gegen Craxis Camarilla kopflos gemacht. Und schließlich hat er mit seinem Verdacht, die Anklage gegen ihn sei ein Komplott seiner eigenen Parteigenossen, eine „unitarische“ – d.h. von breitem Konsens getragene – Lösung für die Nachfolge des nicht mehr kandidierenden Craxi faktisch unmöglich gemacht

Siehe Seiten 10 und 11.