"Für mich ist das alles ganz normal"

■ Beate Friesike ist bundesweit die einzige Zugführerin in der Bereitschaftspolizei. Sie machte ihren Weg vom Wachtdienst bis zur Einsatzführerin und bildet jetzt auch junge Polizistinnen und...

Beate Friesike ist bundesweit die einzige Zugführerin in der Bereitschaftspolizei
. Sie machte ihren Weg vom Wachdienst bis zur Einsatzführerin und bildet jetzt auch junge Polizistinnen und Polizisten aus. Im taz-Gespräch schildert sie ihren Dienst als Frau
in einem »Männerberuf«.

Ein Treffen in der Kaserne der Hamburger Bereitschaftspolizei. Beate Friesike, 32, kommt in ihrer Freizeit, trägt Jeans und Wildlederjacke. Die Polizistin ist zurückhaltend — sie hatte sich erst ein bißchen zu dem Gespräch überreden lassen müssen. Sie habe schon einmal schlechte Erfahrungen mit der Presse gemacht, begründet die gebürtige Rheinland-Pfälzerin ihre Distanz. Aus „persönlichen Gründen“ mag sie sich auch lieber nicht fotografieren lassen. Allmählich erst wird das Gespräch etwas lebhafter, doch in jedem Augenblick überlegt Beate Friesike genau, was sie sagt. In dem etwa einstündigen Gespräch mit taz-Reporter Torsten Schubert vergißt sie nie ihren dienstlichen Rang.

taz: Frau Friesike, Sie sind die bundesweit einzige Zugführerin in der Bereitschaftspolizei, Ihr Dienstrang ist Hauptkommissarin. Schildern Sie bitte kurz Ihre bisherige Laufbahn.

Beate Friesike: Ich bin 1981 in den Polizeidienst eingetreten. Nach der Ausbildung an der Hamburger Landespolizeischule war ich drei Monate in der Bereitschaftspolizei. Danach bin ich an die Wache gegangen, habe den normalen Dienst gemacht. Dort wurde ich Einsatzführerin, das heißt, Vorgesetzte einer Schicht. Dann bin ich im Mai 1991 als Truppführerin zurück zur Bereitschaftspolizei gegangen. Seit dem ersten Mai 1992 bin ich Zugführerin.

Warum sind Sie zur Polizei gegangen?

Also, dazu möchte ich wirklich nur sagen, daß der Grund für meine Berufswahl ein Schlüsselerlebnis als Kind war. Ich hatte soviel Idealismus, daß ich mir gesagt habe, ich mache das irgendwann einmal besser. Familiär bin ich nicht vorbelastet.

Was sind Ihre Aufgaben als Zugführerin?

Ein wichtiger Bereich ist die Personalführung. Bei der Bereitschaftspolizei absolvieren junge Kollegen einen Teil ihrer Weiterbildung, da muß vieles erklärt werden.

Und der normale Dienst? Es ist ja nicht jeden Tag ein Einsatz.

Das ist eine ganz breite Palette, die wir haben. Wir fahren zur Unterstützung der Wachen eine Zeitlang im Funkstreifenwagen. Wir fahren Kora, das ist das Konzept am Hauptbahnhof zur Bekämpfung der Drogenkriminalität. Asylantenwohnheime werden von uns bewacht. Hinzu kommen Demoeinsätze und Einsätze in Fußballstadien.

Haben Sie auch echten Bereitschaftsdienst? Eine Woche etwa, in der Sie ab-

1rufbereit am Standort sind?

Nein, wir haben immer etwas zu tun und werden nur manchmal zusammengezogen. Es ist nicht so, daß wir herumsitzen und Karten spielen. Wir haben Aufträge, die wir erfüllen. Und gewisse Situationen erfordern dann Flexibilität.

Sie waren eine der ersten Frauen im Hamburger Polizeidienst. Glauben Sie, daß Vorbehalte gegen Polizistinnen jetzt nach zehn Jahren abgebaut sind?

Die ersten Frauen kamen schon in den 60er Jahren. Sie waren bei der Dienststelle WP (Weibliche Polizei, d. Red.), die es jetzt nicht mehr gibt. Erst später gingen die

Meine Erfahrungen waren durchweg positiv

Frauen in den Einzeldienst. Aber um Ihre Frage zu beantworten: zum größten Teil, ja. Die Erfahrungen, die ich gesammelt habe, waren durchweg positiv. Ich denke, es ist auch abhängig von einzelnen Personen. Es wird immer vereinzelt Männer geben, die damit nicht klar kommen — aber auch Frauen. Das liegt in der Natur der Dinge.

Haben Sie Schwierigkeiten mit Kolleginnen oder Frauen, die Sie als Vorgesetzte nicht akzeptieren?

Warum?

Es soll vorkommen.

Möglich ist es sicher schon, aber die Erfahrung habe ich nicht gemacht.

Manche Frauen schimpfen auf männliche Polizisten und finden es noch schlimmer, daß es weibliche Polizisten gibt. Haben Sie darüber schon einmal mit Frauen geredet?

Ich denke, Frauen, die so empfinden, haben irgendwo ein falsches Rollendenken. Warum sollen Frauen nicht zur Polizei gehen?

Diese Frauen haben die Hoffnung, daß Veränderungen hin zu einem friedlicheren Staat eines Tages von Frauen ausgehen können, weil sie noch nicht so eingebunden sind in die Strukturen der Männergesellschaft.

Im Gegenteil. Wenn Frauen friedlicher wirken und durch ihr Verhalten zu friedlicherem Umgang beitragen können, warum sollen sie

Warum sollen Frauen denn nicht zur Polizei gehen?

dann nicht zur Polizei gehen? Das ist doch genau falsch herum gedacht, sag ich jetzt einmal so.

Sind Polizistinnen friedlicher?

Ich weiß nicht, ob man die Frage so stellen kann.

Gehen Polizistinnen mit Konfrontation anders um als ihre männlichen Kollegen?

1Von der Grundtendenz her nicht.

Sie haben aber eben gesagt, Sie finden es gut, daß Frauen zu einer friedlicheren Polizei beitragen.

Vorausgesetzt, der Gedankengang der Frauen stimmt. Das war meine Antwort. Wenn man behauptet, Frauen sind friedlicher, dann ist es im Umkehrschluß in Ordnung, daß Frauen bei der Polizei sind. Ich habe den Gedanken nur fortgeführt.

Würden Sie nicht sagen, daß Frauen friedlicher sind?

Ich finde das ein bißchen vermessen zu sagen, Frauen sind friedlicher als Männer.

Wie zeigen sich die Unterschiede von Männern und Frauen im Dienst?

Es gibt keine gravierenden Unterschiede.

Was sind die feinen Unterschiede?

Es geht in der Zusammenarbeit

Man muß keineswegs wie ein Mann sein

nicht so rauh zu, als wenn eine Männergesellschaft unter sich wäre. Und das, denke ich, ist eine positive Entwicklung.

Ist eine Polizistin sanfter und schwächer als ein männlicher Kollege?

Es ist gar nicht erforderlich, daß eine Frau stark und hart sein muß. Sie kann ja gerne sanft sein, das ist nicht das Problem. Aber sie steht ihren Mann. Frauen müssen in den Beruf hineinwachsen, das ist ein bestimmter Prozeß, das lernt man nicht von heute auf morgen. Es ist auch verkehrt zu denken, man muß jetzt so sein wie ein Mann. Das ist gar nicht erforderlich. Man bringt seinen Teil mit ein. Im ganzen wird ein Schuh daraus.

Also die Qualitäten sind schon andere?

Sie sind zwangsläufig anders geartet, das ist doch klar. Allein schon von der körperlichen Konstitution her steht eine Frau ganz anders da als ein Mann. Doch eine Frau kann den Beruf auch leisten, wenn sie das möchte. Und meine Frauen möchten das alle. Ich glaube, Sie haben ganz große Probleme mit dem Rollenverständnis: wie eine Frau, sanftmütig, wie sie ist, in den Demoeinsatz gehen kann. Das bereitet mir zum Beispiel überhaupt keine Probleme.

Sind die Chancen für Frauen bei der Polizei jetzt gleich?

Ja. Wieso jetzt? War das früher nicht?

Es fing erst 1982 an.

Gut, das ist eine Entwicklung. Es kommen ja auch immer mehr Frauen. Das ist natürlich eine Anpassung an die Zeit, das ist ganz

1klar.

Es ist verwunderlich, daß Frauen im Beruf oft benachteiligt werden und hier, da es auch um den körperlichen Einsatz geht, sind sie völlig gleichgestellt.

Das ist ein Denkfehler, daß viele meinen, es ist oftmals ein körperlicher Einsatz. Es kommt nur in geringem Maße zu einem körperlichen Einsatz. Im normalen Dienst stehen meine Frauen ihren Mann. Da gibt es auch bei einer Festnahme keine Probleme. Warum soll eine Frau das nicht machen können? Wir arbeiten ja auch zusammen, wir ergänzen uns, wie im täglichen Leben. Es liegt an jeder Frau

Mit Demoeinsätzen habe ich keine Probleme

selbst, was sie daraus macht. Man muß nur wollen, offen sein.

„Frauen stehen ihren Mann.“ Ist das nicht eine Anpassung an die Männerwelt?

Ich mußte sie erst einmal verstehen lernen — erst einmal wie Männer denken lernen. Aber eine Anpassung, in der man seine Persönlichkeit verliert, ist es nicht. Es gehört zum Miteinander, daß man versucht, den anderen zu respektieren.

Hat sich Ihre Sprache dadurch verändert?

Ich mußte mich an die Sprache gewöhnen. Aber auch dabei brauchte ich mich nicht anzupassen. Es gibt bestimmt den einen oder anderen, der sich etwas burschikoser ausdrückt. Mit Sicherheit, das gibt es im Privatleben auch. Die deutsche Sprache ist eine

Ich muß auch mal meine Kollegen beschützen

blumige Sprache. Ich habe eine Sprachveränderung bei mir selbst nicht festgestellt, und bei den Kolleginnen, die ich kenne, ist der Ton auch nicht rauher geworden.

Und umgekehrt bei den Männern?

Daß die Männer etwas ablegen? Also, ich habe es nie so extrem empfunden. Aber daß der eine oder andere sich jetzt etwas anders ausdrückt, das mag schon sein. In der Bereitschaftspolizei ist es mir allerdings überhaupt nicht aufgefallen. Wenn, dann an den Revieren,

1weil da auch ältere Kollegen sind.

Da muß man doch auch der Typ dazu sein, damit einem das nicht viel ausmacht.

Das gibt es bestimmt, daß mancher merkt, er ist hier fehl am Platz. Es ist aber nicht geschlechtsspezifisch. Sicher gibt es auch Kollegen, die deshalb kündigen, das kann ich mir durchaus vorstellen.

Gibt es einen gewissen Frauentyp bei der Polizei?

Ich kenne nicht alle Frauen bei der Polizei.

Die, die Sie kennen.

Nein, da gibt es keine bestimmten Typen. Das sind genauso Persönlichkeiten, wie alle anderen auch. Was erwarten Sie?

Vielleicht ein gewisses Rollenverhalten.

Man darf nicht den Fehler machen, alles zu pauschalisieren. Es gibt kein bestimmtes Bild, sag ich

Ich bin für die Emanzipation der Männer

jetzt einmal, von einer Frau, die zur Polizei geht. Und kein bestimmtes Bild von einem Mann.

Empfinden Sie den Beruf als Emanzipation?

Den Beruf als Emanzipation?

Den Einbruch in die Männerdomäne.

Ich denke, man darf das nicht so überspitzt sehen. Es gibt bestimmt Frauen, die in diesen Beruf gehen, um emanzipiert zu werden. Das sind aber die Ausnahmen. Ich würde das gar nicht so überschätzen. Ich versehe hier einen völlig normalen Dienst und meine Position ist für meine Begriffe auch völlig normal. Das hat mit Emanzipation im übertriebenen Sinne nichts

zu tun. Ich bin für die Emanzipation der Männer, ja.

Emanzipation heißt, selbständig denken. Lernt man das bei der Polizei?

Kann man selbständiges Denken lernen? Wie wollen Sie das vermitteln?

Da staubt man nicht ein, so lebt man

Man kann es verlernen, wenn man in Institutionen ist, in denen man nicht selbständig denken darf.

So ist es aber bei der Polizei nicht. Es ist hier nicht so hierarchisch geordnet, und wir sind dankbar dafür, daß wir Kollegen haben, die selbständig denken. Da kommen ja auch Anstöße, da staubt man nicht ein, so lebt man. So lebt das Geschäft. Das geht hier nicht nur nach Befehl und Order, sondern der einzelne ist auch schon gefragt.

Werden Sie von den Männern geschützt?

Man muß sich aufeinander verlassen können. So wie ein Mann auf seine Kollegin aufpaßt, muß auch eine Kollegin auf den Mann aufpassen. Einen Schutzinstinkt der Männer gibt es bestimmt. Aber der ist nicht so immens ausgebildet, daß das nun übersteigert wird und sich extrem äußert. Das ist völlig normal.

Was würden die Kollegen dazu sagen?

Ich glaube, daß sie das auch so sehen. Man spricht ja auch darüber. Gefühle, Empfindungen sind ganz wichtig.

Haben Männer Schwierigkeiten, mit Ihnen als Vorgesetzte zu sprechen? Vielleicht über ihre Ängste und Probleme.

Ich habe den Eindruck, das klappt wunderbar. Die jungen Kollegen, soviel, denke ich, kann ich behaupten, haben keine Probleme damit,

Es macht Spaß, gute Polizisten auszubilden

eine Frau als Vorgesetzte zu akzeptieren. Die sind damit groß geworden. Sie gestehen Ängste ein, und darüber sprechen sie auch. Das muß man ja nicht verurteilen. Die sprechen vielleicht einmal ganz gerne mit einer Frau darüber. Das ist aber wirklich abhängig vom einzelnen.

Gab es Versetzungen von Kollegen, die lieber zu einem Zugführer wollten?

Nein, gab es noch nicht und wird es auch nicht geben.

1Warum sind Sie gerade bei der Bereitschaftspolizei?

Es ist eine Herausforderung für mich, junge Leute auf die Revierarbeit vorzubereiten, weil ich diese Arbeit kenne. Ich kann mein Quentchen dazu beitragen, daß aus ihnen gute Polizisten werden. Soviel Idealismus habe ich.

Wie geht es weiter?

Ich bin noch nicht am Ende meiner Karriere; ich fange doch erst an. Ich habe noch viele Ideen.

Zum Beispiel?

Nicht alle sind beruflich.

Vielleicht werden Sie eines Tages die erste Polizeipräsidentin?

Das strebe ich nicht an.

Vielen Dank für das Gespräch.