Liebe taz..zu: "Sozialstiftung kündigt unsozial, taz vom 6.2.93, Eine Erwiderung von Anne Albers

Liebe taz...

zu: „Sozialstiftung kündigt unsozial" v. 6.2., Eine Erwiderung von Anne Albers

Lieber Klaus Wolschner! Der taz ist es immerhin in den letzten Jahren gelungen, durch eine differenziertere Berichterstattung im überregionalen Teil ihr frauenfeindliches Image schrittweise abzubauen. Du solltest da vielleicht bei Eurer Berliner Redaktion etwas Nachhilfeunterricht nehmen. Dein Artikel „Sozialstiftung kündigt unsozial“ mag ja in der Intention gut gemeint sein, aber ich kann mich darin beim besten Willen nicht wiederfinden.

Was ich Dir vorwerfe, ist Deine mehr als schlampige Recherche. Mein Bekanntheitsgrad in der SPD läßt sich ohne Zweifel an meiner inhaltlichen Arbeit messen. Ich bin seit 24 Jahren in der SPD aktiv und habe in den letzten Jahren vor allem für die gesellschaftliche Gleichstellung der Frauen gekämpft und zwar sowohl auf Landes als auf Bundesebene.

Auch in Deiner Generation sollte es sich herumgesprochen haben, daß in der SPD allgemein das „Du“ verwendet wird. Daran ändert sich auch nichts, wenn alte Hamburger Weggefährten heute in Spitzenpositionen sind. Im „Viertel“ habe ich für die SPD im Beirat Mitte kandidiert und bin Sprecherin des Ausschusses für Soziales, Bildung und Kultur. Ich habe weder mein Rentenalter erreicht, noch einen vorgezogenen Rentenanspruch geltend gemacht. Richtig ist, daß ich erst am 31.3. 1993 meinen vollen Anspruch auf die volle Zusatzrente erworben habe. 1979 habe ich einen Arbeitsplatzwechsel von Schleswig-Holstein nach Bremen vorgenommen um mich um die Leitung der Sondereinrichtung Hans-Wendt-Stiftung beworben. Als therapeutische Leiterin — ich bin keine Sozialarbeiterin sondern Diplom-Psychologin und Familienthrapeutin — hatte ich mir die Aufgabe gestellt, die stigmatisierten und ausgegrenzten Kinder unter entsprechenden Rahmenbedingungen wieder in die Regelbereiche zu integrieren. Das ist weitgehend gelungen, wie die Ergebnisse der Begleituntersuchung ergeben haben.

Daß es trotz der chaotischen Verhältnisse im Verwaltungsbereich der Stiftung noch möglich war, eine gute inhaltliche Arbeit zu leisten, verwundert mich im Nachhinein manchmal selber. Mit meiner Entfernung aus der Stiftungsleitung 1983 und der Versetzung in den Bezirk Süd sicherte sich der Vorstand, d.h. die senatorische Behörde, den uneingeschränkten Zugriff auf die Stiftungsmittel. Ich hatte mich in den Vorstandssitzungen erfolglos dagegen gewehrt, die Stiftung zur Manövriermasse des Sozialessorts zu degradieren. Wie Senatsrat Hoppensack vor dem Untersuchungsausschuß der Bürgerschaft ganz richtig gesagt hat wurde nach dem Motto verfahren: „Die Rechtslage hat uns nie interessiert, das haben wir bremisch gelöst!“ Wehe denjenigen, die da nicht mitmachen und nicht ihren Mund halten!

Ich bin also keineswegs das Opfer einer „teuflischen Situation“, die wie eine Naturkatastrophe über mich hereinbricht. Sondern hier handelt es sich um Machtmißbrauch in der Form eines ganz simplen Racheaktes. Männern in Machtpositionen — wie zum beispiel Staatsräten — wird es ziemlich leicht gemacht, sich als Täter hinter Scheinargumenten zu verstecken, die zu angeblichen Handlungszwängen führen, deren Opfer sie dann auch noch sind.

Der ehemalige Geschäftsführer der Stiftung erhielt 1990 den Auftrag, mich mit arbeitsrechtlichen Mitteln aus der Stiftung zu entfernen. „Anders werden wir die Albers ja nicht los“. Auftragsgemäß wurde ich mit einer Serie von Abmahnungen bombadiert. Gleichzeitig wurden meine Arbeitsbedingungen derartig einschneident verändert, daß eine sinnvolle Arbeit kaum noch möglich war. Beschwerdebriefe über meine angebliche Kooperationsunfähigkeit — es müßte wohl besser Korruptionsunfähigkeit heißen — sollten das Bild abrunden. Die Krönung war die fristlose Kündigung am 22.3.1991. Mit diesem juristischen Trick wollte sich die Stiftung um eine Abfindungsregelung herumdrücken.

Am Ende einer ganzen Serie von Arbeitsgerichtsprozessen sahen wir uns gezwungen, in der Hauptverhandlung beim LAG die Kammervorsitzende wegen Befangenheit abzulehnen. Es hat mich schon erstaunt, daß eine Richterin von der Ansammlung geballter Macht redet, gegen die es letztendlich keine Chance gebe. Über den Befangenheitsantrag hatte ein Richter zu entscheiden, der ohne Zweifel befangen ist! Aber so etwas wird eben auch bremisch gelöst!

Als letzten Versuch habe ich den Petitionsausschuß um Vermittlung gebeten. Ich wurde vom Vorstand aufgefordert, meine dargelegten Vergleichsvorstellungen schriftlich mitzuteilen. Der Vorstand hat den Vergleichsvorschlag abgelehnt und einen Gegenvorschlag unterbreitet. Ohne die Vergleichsverhandlungen abzuwarten, hat das Gericht am Tag der Fragestellung in der Stadtbürgerschaft, d.h. am 26.1.1993 sein „Urteil“ mündlich verkündet.

Wer die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses Hans- Wendt-Stiftung gelesen hat wird unschwer erkennen, daß der Rechnungshof sehr sorgfältig gearbeitet hat und trotz aller Bemühungen viele Ungereimtheiten nicht aufklären konnte. Schweigen zum richtigen Zeitpunkt gehört eben auch zum Machterhalt! Daß Täter dann plötzlich zu Opfern werden ist für Frauen nichts Neues. Das gegen mich verhängte Berufsverbot verbunden mit meinem völligen ökonomischen Ruin soll wohl endlich die gewünschte Wirkung zeigen: Solange nur einige Männer Gewalt an Frauen anwenden, müssen das nicht alle tun. Das Wissen, daß einige Männer diese Aufgabe übernehmen, genügt als Drohung für alle Frauen. Männer, die vorgeben sich für die Gleichstellung der Geschlechter einzusetzen, werden nicht mehr an Worten, sondern an ihrem persönlichen und politischen Handeln gemessen.

Lieber Klaus, Du redseliger Mann, Du Meister des Klatsches, vielleicht lernst Du noch dazu! Mit feministischen Grüßen, Anne Albers