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Angestelltenkammer im Griff des ÖTV-Apparates

■ DGB-Gewerkschaften wollen mehr Zugriff auf Posten und Kammer-Kasse / Ulrike Buchner abserviert

In der Bremer ÖTV kocht es. „Entsetzt“ und „wütend“ sind die KollegInnen vom Amt für soziale Dienste, „unwürdig“ sei das Verhalten der ÖTV-Spitze und „wir wollen unserer Befürchtung zum Ausdruck bringen, daß der Gewerkschaft eher damit geschadet worden ist“.

Es geht bei dem Streit um die Macht über den Apparat und den 20 Millionen-Etat der Angestelltenkammer, und es geht um den Stil innergewerkschaftlicher Auseinandersetzung. Als Vertreterin der ÖTV in der „Vollversammlung“ der Angestelltenkammer sitzt seit 6 Jahren Ulrike Buchner, damals war sie vom der Angestellten-Ausschuß vorgeschlagen und vom ÖTV-Kreisvorstand aufgestellt worden. Für die ÖTV überraschend gewannen die DGB-Gewerkschaften damals gegen die DAG die Mehrheit und damit die Macht in der Angestelltenkammer, Ulrike Buchner kam in den Vorstand.

Im Herbst ist wieder Wahltag, der Angestelltenausschuß hat wieder Ulrike Buchner vorgeschlagen. Der ÖTV-Kreisvorstand aber hat das Verfahren geändert: Erstens sollen nicht der Ausschuß, sondern die Vertrauensleute-Sprecher den ÖTV- Kandidaten vorschlagen, zweitens ist der ÖTV-Vorstand an den Vorschlag nicht gebunden.

Am 14.1.1993 erzählte ÖTV- Kreissekretär Holger Aebker der ÖTV-Vertreterin Buchner beiläufig, daß am 18.1. die Vertrauensleute-Sprecherversammlung sei, auf der es um die Kandidatur für die Kammer gehen sollte. Buchner war nicht eingeladen, auf der Tagesordnung war ein Rechenschaftsbericht nicht vorgesehen. „Aber nur fünf Minuten“, hieß es, als Buchner auf der Versammlung dennoch über ihre Arbeit berichten wollte.

In der anschließenden Aussprach gab es keine Kritik an der Kammer-Arbeit der ÖTV-Frau, nur Unzufriedenheit an der Kammer insgesamt. Es komme jetzt darauf an, „die Kammer in den Griff zu bekommen“, erklärte ÖTV-Sekretär Aebker. Die ÖTV habe im Personalrats- Wahlkampf eine Broschüre gemacht und die Angestelltenkammer habe das nicht mitfinanzieren wollen — sowas dürfe nicht mehr passieren.

Wenn es um „in den Griff bekommen“ geht, dann steht im Hintergrund immer ein Grundsatzkonflikt: Nur 20 Prozent der Angestellten sind gewerkschaftlich organisiert. Soll die Kammer, die von den Beiträgen aller Angestellten lebt, Politik im Interesse der organisierten Apparate oder im Interesse der Unorganisierten machen?

Das Objekt der ÖTV-Sekretäriats-Begierde: die Kammer und ihre MillionenFoto: Jörg Oberheide

Ulrike Buchner steht in der Kammer für diese Position. Das schafft in den Abteilungen der Angestelltenkammer Spielraum, etwa für das breite Kulturangebot. Auch im Bereich des BBI gibt es für die ÖTV zuviel Wildwuchs. Das ist, wenn es um „Griff“ geht, gemeint.

Ohne ein kritisches Wort über die Positon von Ulrike Buchner verloren zu haben, wählten die ÖTV-Sprecher mit 1:11 Stim

hier das Haus

im Loch

men Irmtrud Gräber als ihre Kandidatin. „Die im Vorfeld gelaufenen Kungeleien sind offensichtlich“, schrieb ÖTV-Vertrauensmann Essmann und legte dem Brief sein Gewerkschaftsbuch gleich bei. Weil auch sonst durch den ÖTV-Apparat die gewerkschaftliche Arbeit im Betrieb „mehr behindert als gefördert wurde“, schloß sich ÖTV- Vertrauensmann H. Kühl an. „Im Auftrag“ vieler Angesteller der Kammer schrieb Peter Beier, man sei „entsetzt“ über den „schlechten Stil“ und die machtpolitische Absicht der ÖTV. Es sei „erschreckend, daß hier immer noch nicht begriffen worden ist, wie sehr die Zukunft der Gewerkschaft davon abhän

gig ist ... neue Zugänge zu den Menschen (zu) schaffen“.

Parallel zur Kandidatenaufstellung hat der DGB sich darum bemüht, daß seine Kandidaten ohne Wahl die Mehrheit in der „Vollversammlung“ der Kammer erhalten: Wenn es nicht mehr KandadatInnen als Plätze gibt, dann kann nämlich nach dem bremischen Kammergesetz die Wahl ausfallen, die KandidatInnen gelten als gewählt („Friedenswahl“). Der DGB wollte allerdings die ganze Macht und der konkurrierenden DAG nicht die Mehrheit in einem der beiden Kammer-Gremien überlassen — daran scheiterte die Operation „Friedenswahl“ Mitte vergangener Woche. K.W.

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