Stadtplanung zwischen Demokratie und Effizienz

■ Senator Hassemer legt Zwischenbilanz vor/ Wettbewerb für gesamte Spreeinsel

Berlin. Ein „wirklich anderes politisch-strategisches Fundament“ in der Stadtentwicklungsplanung will Volker Hassemer gelegt haben. Diesen hehren Anspruch formulierte der Stadtentwicklungssenator gestern, als er eine vorläufige Bilanz seiner bisherigen Arbeit zog. Die Liste des in den letzten beiden Jahren Erreichten liest sich in der Tat imponierend. Allein fünf große städtebauliche Verfahren wurden in diesem Zeitraum abgeschlossen (Potsdamer Platz, Wasserstadt Oberhavel, Hauptbahnhof, Bahnhof Friedrichstraße und Rummelsburger Bucht), der Wettbewerb zum Spreebogen steht kurz vor dem Abschluß, zum Alexanderplatz und zur Heinrich-Heine-Straße laufen die Verfahren. In Vorbereitung sind die Wettbewerbe zu den Ministeriumsstandorten auf der Spreeinsel, dem Zentralbahnhof an der Lehrter Straße, dem Schöneberger Kreuz, dem Ostkreuz sowie dem Gewerbegebiet Johannistal. Sie sollen 1993 beginnen. Daß seine Behörde alle zwölf Wettbewerbe bewältigt, hält sich der Senator zurecht zugute.

Doch ist die Arbeitsfähigkeit seiner Verwaltung nicht die einzige Elle, an der die Qualität der Stadtentwicklung zu messen ist. Auch nach Hassemers Einschätzung ist die Stadtbevölkerung überfordert, mit der rasanten Entwicklung Schritt zu halten, doch ist dies für ihn kein hinreichender Grund, die eigene Politik zu ändern. Er könne die Verfahren nicht langsamer machen, denn eine Verzögerung würde einen Verlust in der Glaubwürdigkeit des jeweiligen Investments bedeuten. Im Spannungsfeld zwischen effizientem Stadtmanagement und demokratischer Beteiligung steht der Senator für die Reibungslosigkeit des Verfahrens. Selbst die eigene Position opfert er notfalls dem übergeordneten Interesse an der Ansiedlung. Noch vor zwei Monaten sprach er sich bei der Planung der Regierungsquartiere auf der Spreeinsel für den Erhalt des Staatsratgebäudes und gegen einen städtebaulichen Wettbewerb aus. Mit beiden Anliegen stieß er bei den Bonner Bauherren auf Ablehnung. Die wollten nicht nur das Staatsrat- sondern auch das ZK-Gebäude dem Erdboden gleichmachen. Mittlerweile steht auch für Hassemer das Staatsratgebäude „stadträumlich genauso sträflich“ da wie das bereits zum Abriß freigegebene Außenministerium am Kronprinzessinnenpalais. Nun wird, so war gestern zu erfahren, doch ein städtebaulicher Wettbewerb für die gesamte Spreeinsel ausgelobt, in dessen Rahmen das Schicksal des Staatsratgebäudes besiegelt werden soll. dr