Freizeithasardeure

■ Der Zocker am Geldspielautomat

Mit 30 Pfennig sind sie dabei. 96mal in der Stunde flirren die Lichter, drehen die Scheiben, fasziniert der Versuch, die Technik zu überlisten. Reaktionsschneller Schlag gegen rot aufleuchtende Tasten. Das Spiel zum Gewinn hin beeinflussen. Die Jagd nach der dreifachen Krone im Fenster. Und dann das Superspiel! To whom the bell rings: doppelter Gewinn, dreifacher Gewinn, alles verloren, doppelter Gewinn, dreifacher Gewinn – tack! – alles verloren. Pech gehabt. Irrtum! Gewollt verloren.

Hier geht es nicht um Glück, hier geht es um Zufallsspiele mit Gewinnmöglichkeit. Wer will, darf auch beidhändig spielen. Links ein Geldspielautomat, rechts ein Geldspielautomat. In der Mitte der Verlierer. Rein rechnerisch kostet das Vergnügen im Durchschnitt 28,80 Mark die Stunde pro Gerät. Die Menge schreibt der Gesetzgeber vor. 60 Prozent des Einsatzes sollen die elektronischen „Spieldiener“ wieder ausspucken. Wann? Das weiß nur die Software im Gerät, und natürlich der, der sie programmiert hat. „Spieldiener“, welch wundersame Wortumwandlung. Der Mensch bedient die Maschine. Und jetzt „Spieldiener“.

Die Dienstleistung, in jeder Kneipe und jedem Spielsalon allgegenwärtig, zockt jährlich zwanzig Millionen Menschen in der Bundesrepublik ab. Positiv formuliert: die tief verwurzelte Sehnsucht nach dem Glücksgefühl, das durch eigenen Erfolg geschürt wird. Egal ob diese aus dem Gewinn von Punkten, einem kleinen Geldgewinn oder aus dem Sieg über einen Spielpartner besteht. Sozialpsychologisch gesehen: Der gesellschaftliche Verlierer sucht Ersatzsiege. Wobei die Suche schon mal zur Sucht werden kann. „Extensives Spielen“ heißt das im Deutsch der Branche sowie ernst zunehmender Wissenschaftler.

Andere sehen darin einen biochemischen Defekt und bekämpfen die Spielsucht mit Drogen in Form von Medikamenten und Psychotherapien. Egal, was es nun genau ist: in jedem Fall kostet es eine Menge Geld. Im Schnitt 400 Mark pro abhängigen Spieler und verzockten Tag.

In Berlin gibt es noch eine besondere Variante auf diesem freiheitlichen freizeitlichen Markt. Spielhallen bieten gute Voraussetzungen, das illegal eingenommene Geld zu „waschen“. Das gibt sogar Berlins Innensenator Heckelmann öffentlich zu. 300 Millionen Mark pro Jahr sollen auf diese Art in Berlin gewaschen werden. Woher man das weiß? Eine polizeiliche Untersuchungsaktion im Jahr 1990 bei hundert Spielhallen brachte es an den Tag. Kripobeamte, extra zum Rechnen abgestellt, rechneten und rechneten, bis die Untersuchungen im Sande verliefen. Innensenator Heckelmann erklärte im Berliner Abgeordnetenhaus, daß es völlig unverdächtig sei, den Tageseinnahmen aus Automaten „schwarzes Geld“ hinzuzufügen und ebenfalls als Spieleinnahmen zu deklarieren. Peter Huth