"Mein Interesse als Frau"

■ Interview mit Ulrike Osang über politische Frauenbildung in den neuen Ländern

taz: Sie sind seit einem Jahr bei der „Arbeit und Leben“, einer Bildungseinrichtung von DGB und Volkshochschulen, für politische Frauenbildung in Brandenburg zuständig. Was bedeutet diese Arbeit im Osten Deutschlands?

Ulrike Osang: Das hört sich an, als wenn es ein festes Konzept der politischen Frauenbildungsarbeit gebe, das wir nur in die neuen Bundesländer zu übertragen bräuchten. Ich denke, so kann man's nicht machen. Ich empfinde die augenblickliche Situation als ein vorsichtiges Vortasten. Das Politische daran sehe ich darin, daß der gesamte Lebenszusammenhang von Frauen in den Blick genommen wird – in ganzheitlicher Form, nicht nur die berufliche, sondern auch die persönliche, die familiäre, die erzieherische Situation betreffend. Es geht darum, die Veränderungen zu beobachten, die durch den starken Einbruch der Wende in allen Lebensbereichen von Frauen stattgefunden haben. Über das Verstehen dessen, was da passiert ist, sollen die Frauen ein anderes Widerstandspotential entwickeln, um mit diesen Veränderungen umgehen zu können.

Für wen sind die Seminare?

Ursprünglich wollten wir Einrichtungen und Initiativen unterstützen, die Frauenbildungsarbeit betreiben. Die Erfahrung hat gezeigt, daß das der zweite Schritt vor dem ersten war. Von daher versuchen wir überhaupt, Frauen anzusprechen, die sich für Bildungsarbeit mit dieser gesellschaftspolitischen Orientierung interessieren. Und zum anderen dabei Frauen zu finden, die Bildungsarbeit auch mal selber machen wollen.

Gibt es Hindernisse bei Ihrer Arbeit?

Wir wollten am Anfang mit den Frauen ins Gespräch kommen und dabei erfahren: Was sind ihre Themen? Was wären jetzt Dinge, die sie unbedingt bewegen wollen? Wir sind aber mit einer starken Angebotshaltung konfrontiert worden. Es ist nun unser Anliegen, die Gebrauchswertorientierung etwas zu erweitern und zu sagen: Gut, wir versuchen, Themen zu finden, die trotzdem noch Reflexionsmöglichkeiten bieten, über die eigene Lage sich klarzuwerden und Handlungspotentiale aufzutun. Das sind in erster Linie Rhetorik- und Selbstbehauptungskurse. Der andere Schwerpunkt ist die Auseinandersetzung mit Gewalt. Angefangen mit Gewalt, wie sie in alltäglicher Form auftritt, Gewalt von Jugendlichen, vor allem aber Gewalt gegen Frauen und Kinder.

Die Frauen in der DDR sind von den Folgen der Wiedervereinigung ganz stark betroffen, teilweise haben sie 70prozentigen Anteil an der Arbeitslosigkeit. Glauben Sie nicht, daß jetzt konkrete berufsqualifizierende Weiterbildung gefragt wäre?

Ich glaube natürlich, daß berufliche Bildung die Frauen in erster Linie ansprechen muß, weil da für viele die existentielle Not ist. Gleichzeitig würde ich kritisch an den Punkt herangehen. Da machen sich einige Hoffnungen von Frauen fest, daß sie sozusagen eine Sicherheit hätten, wenn sie sich lange genug fortgebildet haben, auch wieder in den Arbeitsmarkt einsteigen zu können. Ich denke, daß da die Grenzen sehr deutlich werden. Eine Vielzahl von Frauen hat Erfahrungen mit beruflicher Weiterbildung gemacht, die nicht zu einem Arbeitsverhältnis geführt haben. Zur Zeit wird die Auseinandersetzung über die eigene Rolle als Frau in der DDR mehr gesucht als vielleicht vor zwei Jahren, als eine ganz klare Orientierung aufs Berufsleben da war. Und da kann die politische Bildungsarbeit eher den Reflexionsprozeß möglich machen, um aus dieser Haltung des völlig defizitären Wesens wegzukommen. Nach dem Motto: Ich hab' das und das nicht, und muß das und das alles noch lernen, dann komm' ich irgendwann wieder in Arbeit. Daß darin auch die Chance liegt, erst mal zu erkennen, was ist denn mein Interesse in dieser Situation und wie schaffe ich es, als Frau meine Stärken besser zu leben.

Gibt es einen feministischen Ansatz in dieser politischen Frauenbildungsarbeit?

Also es gibt natürlich einen feministischen Ansatz. Er verliert für mich aber insofern etwas an Bedeutung, als ich sage, wenn wir uns auf einen Bildungsprozeß einlassen mit den Frauen in Brandenburg, dann müssen wir auch ihren Blick, ihr Gewordensein in der Gesellschaft ernst nehmen. So daß wir uns auch ein Stück weit auf diese Situation einlassen und versuchen, die Widerstände und vielleicht auch die Unstimmigkeiten in der Selbstwahrnehmung der eigenen Vergangenheit entlang dieser eigenen Interessen aufzuarbeiten. Alles andere hat natürlich diese Gefahr des Wir-wollen-uns-nicht-belehren-lassen, die sehr schnell da ist, wenn zu flott Konzepte und Normierungen da sind, wie Frauen gelebt haben, wie sie sich einschätzen lassen müssen. Das würde mir auch nicht gefallen. Interview: cif