Justizministerin ohne Babysitter

■ Clinton benennt neue Kandidatin/ Sein Umgang mit Bewerberinnen stößt auf Kritik der US-Frauenorganisationen

Washington (taz) – Es war ausgerechnet Pat Buchanan, Rechtsaußen der Republikaner, der Böses ahnte. Der Vorsatz der Clinton-Administration, für den Chefsessel im Justizministerium eine Frau zu nominieren, sei eindeutig männerdiskriminierend. Doch die Warnung verhallte ungehört: Auch im dritten Anlauf entschied sich US-Präsident Bill Clinton für eine Kandidatin – für die 54jährige Bezirksstaatsanwältin Janet Reno aus Miami. Clintons erste Wahl, Zoe Baird, Justitiarin und stellvertretende Vorsitzende eines Versicherungskonzerns, mußte ihre Kandidatur zurückziehen, nachdem bekannt geworden war, daß sie zwei illegale Einwanderer zur Kinderbetreuung beschäftigt hatte. Bundesrichterin Kimba Wood schien bis letzte Woche die Nominierung in der Tasche zu haben. Dann stellte sich heraus, daß auch sie eine Immigrantin ohne Aufenthaltsberechtigung als Babysitterin angestellt hatte – allerdings zu einem Zeitpunkt, als dies noch nicht gegen geltende Gesetze verstieß. Doch schien es dem Weißen Haus offenbar zu riskant, diesen feinen Unterschied zu vermitteln. Also verschwand auch Kimba Wood wieder von der Bildfläche – und von den US-Frauenorganisationen wurde immer lauter gefragt, warum keiner der männlichen Minister bei den Anhörungen im Senat nach seinem Umgang mit Hausangestellten gefragt worden ist. Als dann aus dem Weißen Haus auch noch lanciert wurde, Wood habe sich vor 28 Jahren als Studentin fünf Tage lang als Playboy-Bunny betätigt, hagelte es wütende Kritik der Frauen am neuen, alten Stil der Clinton-Administration.

Mit Janet Reno hat Bill Clinton nun eine Kandidatin gefunden, die erstens keine Kinder hat und somit auch keine illegalen Babysitter; zweitens nie in die Verlegenheit geraten ist, sich als Playboy-Bunny verdingen zu müssen. Daß solchen „Kriterien“ ebensogroße Aufmerksamkeit geschenkt wird wie ihrer Qualifikation, hat die Clinton-Administration nicht zuletzt durch ihren Umgang mit Kimba Wood verschuldet. So mußte sich Clinton bei der Pressekonferenz mit Janet Reno mehrfach fragen lassen, ob Reno wirklich die beste Kandidatin gewesen sei, und ob er Männer in die engere Wahl genommen habe.

Janet Reno selbst nahm es gelassen – sie hat sich als leitende Staatsanwältin in Miami nach fünfzehn Amtsjahren einen legendären Ruf erworben. Viermal ist die heute 54jährige in diesem Amt wiedergewählt worden. Im multi- ethnischen Miami wird sie mittlerweile von der anglo-amerikanischen Community ebenso respektiert wie von den Hispano- und Afroamerikanern. Dank ihrer Ermittlungen wurden einige der größten Korruptionsaffären innerhalb der Polizei aufgedeckt. Mit ihrem Votum werden im drogengeplagten Miami gegen Ersttäter bei BTM-Delikten keine Gefängnisstrafen mehr verhängt; umso rigider ging sie dafür gegen Väter vor, die keine Alimente zahlen, was ihr nicht nur das Lob von Frauengruppen einbrachte, sondern auch Thema eines Rap-Songs in Miami ist. Zudem gilt Janet Reno als absolut integer und unbestechlich, womit sie zwei unabdingbare Voraussetzungen für ihr neues Amt mitbringt. Denn das Justizministerium hat sich nach zwölf Jahren Reagan- und Bush-Administration den Ruf eines politisch imprägnierten korrupten Augiasstalles erworben. Andrea Böhm