In New York sagte der Entführer: „Danke Tschüß“

■ Die Passagiere sind wohlauf/ Der Luftpirat ist in den USA im Knast/ Die Sicherheitsmängel werden jetzt untersucht

Ney York (taz) – Es war eine der unblutigsten Entführungen in der Geschichte der Zivilluftfahrt. Als der Lufthansa-Airbus „Chemnitz“ am Donnerstag nachmittag kurz vor vier auf einer hermetisch abgesperrten Landebahn des New Yorker John F. Kennedy-Flughafens aufsetzte, war schon alles vorbei. Unmittelbar danach übergab der Luftpirat, der 21jährige äthiopische Student Nebio Zewolde Demeke, der im vergangenen September in Deutschland Asyl beantragt hat, Lufthansa-Kapitän Gerhard Goebel einen Zettel mit den Worten „Danke Tschüß“ sowie seine Waffe. Die – wie sich später herausstellte – geladene Starterpistole hatte der Entführer dem 52jährigen Cockpitführer kurz nach dem Start in Frankfurt an die Schläfe gehalten und ihn so gezwungen, Lufthansaflug 592 statt nach Addis Abeba über Hannover nach New York zu steuern.

Mit erhobenen Händen verließ der Entführer das Flugzeug und ließ sich widerstandslos festnehmen. Die Scharfschützen konnten abziehen. „Eine Aktion wie aus dem Drehbuch“, schwärmten später der für die Operation verantwortliche New Yorker FBI-Chef James Fox sowie der Polizeidetektiv mit Sonderaufgaben, Dominique Misino. Misino, Leiter einer für die unblutige Beendigung von Entführungen und Geiselnahmen ausgebildeten Spezialeinheit, hatte bereits über Bordfunk den Entführer zur Aufgabe überredet. Das war offensichtlich nicht schwierig. Schon zu Beginn der Funkverhandlungen teilte Kapitän Goebel mit, der Entführer werde sich „friedlich verhalten“, wenn die Erfüllung seiner Forderungen zugesagt werde: Landung in New York, Asyl in den USA und ein Gespräch mit UNO-Vertretern über die Lage in Bosnien-Herzegowina. Wegen dieser letzten Forderung – die ebenso wie die zweite nicht erfüllt wurde – hielt sich noch stundenlang das Gerücht, der englisch und deutsch sprechende Luftpirat sei ein bosnischer Muslim.

Mit der Bekanntgabe von Identität und Wohnort (Oslo) des Flugzeugentführers setzte FBI-Chef Cox den Spekulationen der vielen JournalistInnen ein ernüchterndes Ende. Jetzt konzentriert sich das Medieninteresse auf die Frage, wie Nebio Zewolde Demeko die Pistole an Bord der Lufhansa-Maschine schmuggeln konnte. Daß das nur in Frankfurt und nicht auch in Oslo passiert sein konnte, war für die US-Medien keine Frage. Nach letzten FBI-Erkenntnissen schmuggelte Demeko die Pistole in einer Skimütze, die er vor dem Durchgang durch den Metalldetektor auf einen danebenstehenden Tisch legte und danach unbehindert wieder an sich nahm. Andreas Zumach

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