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Salmonellen im Altersheim - Verstehen Sie Haß?

■ Zur Eröffnung des Kabarettfestivals 'Brandzeichen– auf Kampnagel wurde der 'Reichspolterabend II– wiederholt

auf Kampnagel wurde der Reichspolterabend II wiederholt

Urdeutsche Probleme sorgten dafür, daß sich das 7. Kampnagel- Kabarett-Festival - „aus aktuellem Anlaß“, wie es in Beamtendeutsch in der Vorankündigungen hieß - nicht wie geplant mit dem grenzenlosen Europa, sondern mit inländischen Themen beschäftigte. Dazu gab es bei der Eröffnung am Freitag durch Festivalleiter Ulrich Waller noch ein wenig Geläster über das medienspektakelnde Hamburg - „schön, daß sie den Weg vorbei an den winkenden Männchen gefunden haben“ - und der als „spannend, aggressiv und böse“ herbeigewünschte Abend mit dem Reichspolterteam nahm seinen Lauf.

Die fünf Kabarettisten Matthias Beltz, Achim Konejung, Heinrich Pachl, Arnulf Rating und Horst Schroth machten sich mit der Wiederholung ihres Reichspolterabends II, extra zum Festival noch einmal formiert, auf, die Frage zu klären, weshalb „die deutsch-deutsche Ehe nach zwei Jahren noch immer nicht vollzogen ist“. Mit ihrem gelben Unterseeboot U-93 landen sie am Kap der schlechten Laune. „Deutschland ist mental nicht gut drauf, die Lage ist witzlos“, stellten sie fest, „Böse-Mienen-Felder“ allüberall. Die Stimmungskanonen in Position gebracht, die Lachsalven abgefeuert, den Schlüssel fürs Pointenmagazin gesucht - die Humorsoldaten nahmen Deutschland unter starken Beschuß und begegneten dessen Einwohnern.

Zum Beispiel einem Herren von der Bundeswehr, der Rechtsradikale fragt, warum sie nicht in seinen „Verein“ kommen. Keine Ausländer in der Firma, Springerstiefel gratis und außerdem habe er mit Volker Rühe einen ausgezeichneten neuen Coach. Zudem wird es - demnächst dann als Blauhelme - auch mal Auswärtsspiele geben. Natürlich müsse die TV-Wirksamkeit bei zukünftigen Aktionen gesteigert werden. Bei 12000 Mark teuren Raketen sollte auch das Geld für anständige Ziel-Kameras drin sein. Sponsoring wäre doch auch eine Möglichkeit. Müllermilch, Snickers, Coca-Cola schwirren durch die Lüfte. Auf Zigaretten- und Alkoholwerbung sollte man allerdings verzichten - schließlich gucken ja auch Kinder zu.

Ebenso bissig wie treffend der Blick auf die Medien. Was für neue Shows könnte man den Zuschauern noch bieten? Vielleicht: Verstehen Sie Haß? Zum Beispiel Hilfslieferungen für Sarajevo, die sich beim Öffnen als Bomben herausstellen. Peter Scholl-Latour stellt dann die Show-Frage: Verstehen Sie Haß? Oder Salmonellen im Altersheim.

1Halbangebrütete Eier, Essen auf Rädern oder Essen mit Federn, Kamera in die Korega-Tabs-Höhlen.

Ein Reichskolonialbeauftragter trieb dann sein Spiel mit den Grundrechten. Man solle die Sklaverei in Deutschland wieder einführen, da wären doch alle sicher, be-

1sonders die Ausländer. Schließlich sei Eigentum durch das Grundgesetz geschützt. Sicher, einige würden dagegen sein, klinge Sklave nicht gut, erinnere es doch zu stark an Slave, nenne man sie doch einfach Beamte.

Schlußendlich läßt man Deutsch-

1land hinter sich, die Böse-Mienen- Felder sind aufgehellt, die Heulbojen versenkt. Es kommt die Zeit, den Witzen zu gedenken, die fürs Vaterland gestorben sind. Zurückgelassen werden auch die Zuschauer, die nur höchst selten enttäuscht wurden. Gregor Gerlach

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