Ausbau der „Hafenstadt Berlin“ geplant

■ Die 27. Runde des Stadtforums tagte zu „Berlin am Wasser“/ Neuer Zentralhafen, weil alte Anlagen Baumaterialtransport nicht bewältigen können

Berlin. Berlin soll langfristig einen modernen Zentralhafen am Britzer Zweigkanal erhalten. Zugleich ist geplant, das Wasserwegenetz auf der Spree, der Havel und dem Teltow-Kanal auszubauen. Der neue „Südost-Hafen“ mit einem erweiterten Flächenangebot für Speicheranlagen, Lagerschuppen und Verladestationen mache den Bau eines zusätzlichen Beckens nötig, sagte Ural Kalender, Verkehrsplaner in der Senatsverwaltung für Verkehr und Betriebe, auf der 27. Runde des Stadtforums. Ein paralleles Hafenbecken am Britzer Zweigkanal und ein zweiter Stichhafen im Dreieck Teltow- Kanal und Britzer Zweigkanal „ermöglichen eine größere Kapazität für den Umschlag von Gütern“.

Durch den Bau leistungsfähiger Kaianlagen eigne sich der neue Hafen für lange Transportschiffe. Der Standort biete außerdem beste Voraussetzungen für die verkehrliche Anbindung an die Schienenwege und die geplante Autobahnerweiterung in Neukölln, erläuterte Kalender. Die Umschlagsmengen für allgemeine Güter, Kies, Sand, Zement und Abfallstoffe könnten von mittelfristig 4,5 Millionen Tonnen pro Jahr auf langfristig 8 Millionen Tonnen gesteigert werden. Für den zentralen Hafen spräche nicht allein der wachsende Verkehr mit Baumaterialien in den kommenden Jahren, sondern auch die städtische Lage.

Ural Kalenders neues Hafenkonzept beruht auf den problematischen Bedingungen für die Wasserschiffahrt in den engen Kanälen sowie im Ost- und Westhafen. Bis zur „Wende“ hatten die historischen Hafenanlagen am östlichen und westlichen Tor zur Stadt als Umschlagsorte noch ausgereicht. Die denkmalgeschützten Häfen genügten den Anforderungen, weil sich seit 1945 der wirtschaftliche Trend auf den Berliner Wasserstraßen rückläufig entwickelte. Immerhin stand die „Hafenstadt“ Berlin mit einem jährlichen Warenumschlag von 18 bis 19 Millionen Tonnen an zweiter Stelle der deutschen Binnenhäfen – hinter Duisburg mit 38 Millionen Tonnen. Heute fehlen den beiden großen historischen Hafenanlagen Flächen und Ausbaukapazitäten. Der mangelnde Standard des Osthafens macht dessen Zukunft zusätzlich ungewiß.

Auf die über 100 Häfen der „Wasserstadt Berlin“ (Volker Hassemer) wird in den nächsten Jahren ein Umschlagvolumen zukommen, das schwer zu bewältigen sein wird. Doch die Verbesserung des Umschlags dürfe nicht auf Kosten der Wasserwirtschaft und der bestehenden städtischen – polyzentralen – Hafenstrukturen gehen, kritisierten die Planer Urs Kohlbrenner und Peter Stoll das Kalender-Konzept. Der Rückständigkeit der Anlagen könne man nicht mit Großhäfen, Großschiffen oder Brückenhebungen beikommen. Vielmehr sei es nötig, die dezentrale Struktur der Häfen beizubehalten, sie zu verbessern und auf die Flexibilität kleinerer und schnellerer Schiffe zu setzen – die auch die östlichen Wasserwege nutzen könnten. Eine Verbreiterung etwa des Teltow-Kanals „geht derzeit am Bedarf vorbei“ und wäre ökonomisch „unsinnig“, sagte Kohlbrenner. Mit Großschiffen seien täglich nur drei bis fünf Fahrten nötig. Kohlbrenner schlug einen Ost-West-Kanal nördlich von Berlin vor.

Die Berliner Wasserwege dürfen nicht nur unter dem Primat der Wirtschaftlichkeit gesehen werden. Stadt und Wasser bilden eine Symbiose. Wasserstraßen und Kanäle seien seit den Baumaßnahmen Peter Joseph Lenns Verkehrswege und Erlebnisräume zugleich, erinnerte der Architekt Edvard Jahn. Mit der Ressource Wasser müsse zudem vorsichtig umgegangen werden. Die Wasserwege etwa dem Verkehrswegeplan 2010 zu opfern, der die Verbreiterung der Spree und des Teltow-Kanals, die Erweiterung der Schleusen und Begradigung von Kurven vorsieht, verbiete sich schon aus historischen Gründen. Es müsse ein Weg zwischen den ästhetischen Anforderungen und den Notwendigkeiten der Wirtschaft gefunden werden. Rolf Lautenschläger