Sieg Heil? Hurrah! Von Ralf Sotscheck

Die Zeiten, als deutschen Touristen in irischen Kneipen ein fröhliches „Heil Hitler“ entgegengeschmettert wurde, liegen noch gar nicht so lange zurück. Die dumpfe Begrüßung war durchaus freundlich gemeint: Wer gegen England gekämpft hat, kann nicht durch und durch schlecht gewesen sein. Die Berichte über rechtsradikale Gewalt in Deutschland haben dazu beigetragen, daß der faschistische Gruß inzwischen seltener zu hören ist. Bis zur irischen Regierung hat sich das allerdings noch nicht herumgesprochen. Das Kulturministerium hat vor kurzem das Buch „Ce Hi Seo Amuigh?“ (Wer ist das da draußen?) mit einem Druckkostenzuschuß von tausend Pfund bedacht. Die Autorin Roisin Ni Mheara behauptet darin, es gebe „keinerlei Beweise dafür, daß die Deutschen vorhatten, die Juden zu vernichten“. Und bei den Fotos von Leichen in Konzentratioslagern handle es sich in Wirklichkeit um Bilder von Menschen, die bei der Bombardierung Dresdens ums Leben gekommen waren. Ni Mheara muß es wissen. Die inzwischen über 70jährige Irin wurde in den zwanziger Jahren von General Ian Hamilton adoptiert und zog später nach Berlin. Dort heiratete sie nacheinander zwei SS- Offiziere. Während des Zweiten Weltkriegs arbeitete sie mit ihrem Landsmann William Joyce – besser bekannt als Lord Haw Haw – für den Nazi-Rundfunk und produzierte Propagandasendungen, die nach England ausgestrahlt wurden. Ihr neues Machwerk schließt sich also nahtlos an die alten Zeiten an – offenbar ist das Fossil noch immer von keiner Gehirnzelle infiltriert worden. Ni Mheara lebt heute am Chiemsee und übersetzt irische Texte ins Deutsche. 1985 hat sie das altirische Epos „König der Bäume“ herausgegeben. Ihr Einsatz für die irische Sprache hat ihr zahlreiche Bewunderer eingebracht, darunter auch der Dubliner Irisch-Dozent Ciaran O Coigligh, der den Klappentext für ihr neues Buch verfaselt hat. „Das irische Volk steht tief in der Schuld von Roisin Ni Mheara für dieses höchst ungewöhnliche Buch in Irisch“, behauptet der gelehrte Mann. Dem Verleger Padraig O Snodaigh ist die Sache jedoch inzwischen peinlich. Er will den Regierungszuschuß einer jüdischen Stiftung vermachen, nachdem auch die irische Präsidentin Mary Robinson ihren Unmut geäußert hat. Der Regierungsbeamte, der die Subvention bewilligt hat, läßt sich nicht beirren: Der Zuschuß sei Privatsache zwischen seiner Behörde und dem Verleger, Antisemitismus könne er in dem Buch nicht ausmachen. Sein höchster Vorgesetzter, Kulturminister Michael D. Higgins vom linken Flügel der Labour Party, verweigerte jede Stellungnahme. Das wird langsam zu seiner Spezialität: Auch zu den Zensurgesetzen, die er von den Oppositionsbänken noch lauthals angeprangert hatte, fiel ihm seit seinem Amtsantritt Mitte Januar nichts mehr ein. Wenn Ihnen bei einer Irland- oder England-Reise demnächst ein „Sieg Heil“ entgegenschallt, ist das übrigens noch kein Grund zur Beunruhigung. Möglicherweise liegt es am Wörterbuch. Der Verfasser von Cassel's Deutsch-Englischem Wörterbuch muß nicht recht bei Trost sein. Schlägt man nämlich unter „Sieg Heil“ nach, so findet man als englische Übersetzung: „Hurrah!“