Ein fauler Hund wird Champion

■ Markus Bott holte sich den Box-Weltmeistertitel der WBO im Cruisergewicht

Hamburg (taz) – „Boxen ist nichts für Sensibelchen und zarte Gemüter“, äußerte sich der Ringsprecher Horst Frank vor dem Hauptkampf des Abends in der Hamburger Alsterdorfer Sporthalle, und der Bösewicht aus der Kinderserie Timm Thaler schien, wenn man sich im Publikum umsah, recht zu haben.

„Mindestens 10.000 Jahre Knast sind hier im Parkett und auf den Tribünen versammelt“, mutmaßte ein Hamburger Journalist am Sonnabend abend beim Weltmeisterschaftskampf im Cruisergewicht zwischen dem Titelverteidiger Tyrone Booze und Markus Bott. Auch die in Massen angekarrten Prominenten stehen nicht im Ruf, ein zartes Gemüt zu haben. Die RTL-Sextalkerin Erika Berger ebensowenig wie der Deutschrocker Klaus Lage und die diversen Fußballspieler und Schauspieler, die sich an den VIP-Tischen neben der Kiezprominenz den Champagner schmecken ließen und im Anschluß gemeinsam den neuen deutschen Boxweltmeister Markus Bott feierten.

Dafür gab es für sie alle eine Geschichte zu goutieren, wie es sie eigentlich nur in schlechten Boxerfilmen gibt. Markus „Cassius“ Bott, längst abgeschrieben, als Großmaul belächelt, unlängst dabei gescheitert, sich eine andere Existenz aufzubauen, ist Weltmeister im Cruisergewicht geworden. Zwar nur in der WBO-Version, also vom kleinsten und unbedeutendsten der vier konkurrierenden Weltverbände anerkannt, aber immerhin darf sich der Pforzheimer Faustkämpfer jetzt Weltmeister nennen und als solcher feiern lassen.

Einstimmig nach Punkten besiegte er den 34jährigen recht müde wirkenden Titelverteidiger Tyrone Booze. Wie einen Sandsack traktierte Bott den Amerikaner, der sich fast ausnahmslos hinter seiner Deckung verschanzte und nur ab und zu mit gewaltigen Haken auf sich aufmerksam machte. Einer davon landete auf dem Auge von Markus Bott und ließ es anschwellen, den meisten konnte der Pforzheimer indes sehr zum Erstaunen der Fachwelt ausweichen.

Die Verblüffung wurde noch größer, als Bott selbst in der zehnten Runde noch genügend Kondition hatte, den Amerikaner unter Druck zu setzten. Als „fauler Hund“ (O-Ton René Weller) war er bisher verschrien, als einer, der sich lieber im Ring vermöbeln läßt, als so anstrengende Dinge zu tun, wie durch den Wald zu joggen oder als Training Treppenstufen zu erklimmen. Sein neuer Trainer Enno Werle und vor allem die unerwartete Chance, um den Weltmeistertitel zu kämpfen, hat Bott dazu inspiriert, zum ersten Mal in seinem Leben voll austrainiert in den Ring zu steigen. Bei seinen bisherigen Kämpfen war beim Boxer Bott nur das Selbstvertrauen vor dem Kampf voll da. Diese Eigenschaft, den Gegner vor dem eigentlichen Ereignis mit dem Mund besiegen zu wollen und bar jedweder Selbstzweifel zu sein, brachte ihm den Beinamen „Cassius“ ein, der auch seinen Bademantel ziert.

Nun hat „Cassius“ sich neue Ziele gesetzt: „Als Weltmeischta bin i in eim Jahr Millionär“, äußerte er sich unlängst. 50.000 betrug seine Börse am Sonnabend. Ende April soll er seinen Titel bereits verteidigen. Der Gegner steht noch nicht fest. Einzig der Ort: die Alsterdorfer Sporthalle in Hamburg, die am Wochenende ausverkauft war. Kai Rehländer