■ UNO-Sicherheitsrat setzt eigene Beschlüsse außer Kraft
: Ein Deal mit Folgen

Am 16. Dezember 1992 deportierte Israel 415 Palästinenser aus ihrem Heimatland in den Libanon. Diese Aktion hatte einen Aufschrei der Weltöffentlichkeit zur Folge. Bestandteil des internationalen Protests war auch die israelische Friedensbewegung. Sie fordert bis heute die bedingungslose Rückkehr der Unglücklichen, die in den desolaten Hügeln des Niemandslandes für ihr bloßes Überleben kämpfen. Der UNO-Sicherheitsrat nahm einstimmig die sehr klare Resolution Nr.799 an, in der Israel wegen der Deportation verurteilt und die sofortige Rückkehr der Deportierten gefordert wird.

Israels Regierung blieb zunächst stur bei ihrer Position. Aus Angst vor möglichen Sanktionen des Sicherheitsrats versuchte sie dann aber, die Aufmerksamkeit vom Kern des Problems, der Illegalität der Deportation, abzulenken. Sie erlaubte die Rückkehr einiger kranker Palästinenser sowie einiger anderer Deportierter, die auf Grund eines Irrtums verschleppt worden waren. Eine weiterer taktischer Schritt war Rabins Zusicherung, nach der es 100 Palästinensern erlaubt wurde zurückzukommen und die Deportationsdauer für die Übrigen herabgesetzt wurde. Rabins Vorschläge wurden vehement von den Deportierten und von der PLO, aber auch von den israelischen Friedenskräften zurückgewiesen. Hingegen wurden sie von der US-Administration akzeptiert. Es gelang den USA darüber hinaus, den Sicherheitsrat zu überzeugen, daß der israelische Kompromiß eine angemessene Lösung des Problems darstelle. – Mit einem beispiellosen Schritt folgte der Sicherheitsrat dem Ansinnen der USA, diesem Deal, der jede Bindungswirkung der Resolution 799 außer Kraft setzt. In der UNO-Menschenrechtsdeklaration von 1948, die als Magna Charta unserer Tage angesehen wird, werden Deportationen und kollektive Strafmaßnahmen als elementare Verletzungen der Menschenrechte angesehen. In der Genfer Konvention, deren Anwendbarkeit auf die von Israel besetzten Gebiete von der UNO in mehreren Resolutionen festgestellt wurde, werden Deportationen strikt verboten und zwar unabhängig von den Motiven. Sie werden als schwerwiegender Bruch der Konvention und als gleichbedeutend mit Kriegsverbrechen verurteilt. Wie kann dieses Gremium künftig mit seinen Resolutionen „umgehen“, wenn es jetzt internationale Konventionen durch eigene Beschlüsse bricht? Wen soll der Sicherheitsrat künftig repräsentieren, außer eine arrogante Weltmacht und ihre unheiligen Bündnisse?

Würde man der Logik des Sicherheitsarates folgen, stünde künftig alles zur Disposition: der Gebrauch der Folter (z.B. gegen Terroristen), die Kolonialisierung. Nicht nur diejenigen, die auf dem Schlangenhügel ausharren, revoltieren gegen diesen faulen Kompromiß, nicht nur diejenigen, die in Israel sich mit ihnen solidarisieren. Der Beschluß des Sicherheitsrates ist ein Alarmzeichen für alle, die an den ursprünglichen Geist der Vereinten Nationen glauben, und die empört sind über diese Doppelmoral. Und schließlich sind alle betroffen, die Frieden für den Nahen Osten wünschen, Denn Deals dieser Art tragen den Samen neuen Krieges in sich. Felicia Langer