Richter läßt Verkehrssünder verhaften

Ein Richter im niedersächsischen Northeim hat einen 61jährigen Hamburger an der Grenze zur Schweiz verhaften lassen, weil dieser zu einem Prozeß über ein Verkehrsdelikt nicht erschienen war. Sein Rechtsanwalt Georg Berg machte den Fall gestern publik und rügte das Verhalten der Justiz als extrem überzogen.

Nach Angaben des Anwalts soll sein Mandant im Juli 1991 auf der Autobahn bei Northeim andere Autofahrer behindert haben. Der Antrag der Staatsanwaltschaft, dem 61jährigen den Führerschein zu entziehen, sei abgelehnt worden. Der Anwalt wertete dies als Indiz, daß der Fall nicht als schwer einzustufen sei.

Als der Angeklagte am 10. November'92 nicht zur Hauptverhandlung erschienen war und von seinem Anwalt erklären ließ, er sei in Belgien erkrankt, forderte der Richter ein Attest. Das konnte der Angeklagte nicht liefern. Er habe die Infektion selbst auskuriert und in Belgien sei Feiertag gewesen.

Der Richter hielt diese Entschuldigung nicht für ausreichend. Er habe weder einen neuen Gerichtstermin anberaumt noch ein Ordnungsgeld festgesetzt, sondern einen Haftbefehl erlassen, kritisierte der Anwalt. Der Hamburger wurde am 10. Februar an der Grenze bei Lörrach festgenommen. Der dortige Haftrichter habe „kein Verständnis“ für das Vorgehen seines Northeimer Kollegen gehabt, berichtete der Anwalt. Dieser habe auf den Haftbefehl bestanden. Der Gefangene soll in den kommenden zwei Wochen in einem Häftlingstransportwagen nach Northeim „verschubt“ werden. Derzeit wisse niemand, wo der 61jährige festgehalten, meinte Berg.

Der Northeimer Richter beruft sich auf seine Dienstverschwiegenheit. Er könne nur die rechtliche Lage erläutern. Danach sei ein Richter berechtigt, Zwangsmaßnahmen zu ergreifen, wenn ein Angeklagter zu einer Hauptverhandlung nicht erscheine. dpa