Rasenmäher oder Rotstift

■ Nachdem bei den Kürzungen der große Rasenmäher wieder weggestellt wurde, wartet die Bremer Kulturszene auf den kleinen Rotstift

“Die Stimmung ist so, wie wenn jemandem eine furchtbare Flutkatastrophe bevorzustehen schien, mit allen Anzeichen, dem entsprechenden Wetter, das sich zusammenbraut usw. Und dann war es doch nur eine 'normale' Springflut, und das ganz schlimme Desaster ist noch einmal an uns vorbeigegangen.“ Für Rolf Rempe, den Verwaltungsdirektor des Bremer Theaters, scheint die Zeit der Entwarnung so wenig gekommen wie für irgendjemand sonst in der gern gelobten, doch so fragilen Bremer Kulturlandschaft.

Auch nachdem die siebenjährige Dürre in Form von Finanzsenator Krönings Sparkonzept, das die Kulturbehörde zu verheerenden Etat-Einsparungen in Höhe von insgesamt 18,7 Millionen Mark gezwungen hätte, per Senats-Beschluß vom vergangenen Mittwoch gekippt worden ist, herrscht unter den Kulturschaffenden der Stadt allgemeine Verunsicherung. Denn gespart werden wird, das ist gewiß, und auch die am Mittwoch vereinbarte Einsparhöhe von 1,3 Mio. Mark im Kulturetat hat es durchaus in sich. Hinzu kommen nämlich die schon zuvor festgelegten Minderausgaben von 4,2 Mio. Mark, und bei weiteren etwa 700.000 Mark aus Lottomitteln, die der Finanzsenator der Verfügung der Kulturbehörde entziehen möchte, ist das Gerangel noch nicht entschieden. Macht summa summarum 6 Millionen, und das ist eine ganze Menge bei dem bescheidenen Etat von Helga Trüpels Ressort.

Jedoch wird es in Bremen weiterhin eine Kulturszene geben. So kann der Optimist das Ergebnis dieses Sparbeschlusses zusammenfassen. Aber nicht mehr lange, entgegnet die Pessimistin. Und beide sind sich einig, daß bei der Durchführung des Beschlusses die ersten Projekte auf der Strecke bleiben werden. Sehr weit davon ist nicht mal mehr das abgesichertste unter den Projekten entfernt: Rolf Rempe sieht auch für das Theater kaum noch Spielraum.

Dabei wird allgemein die Unruhe unter den Kulturmenschen angeheizt durch den Mangel an Austausch zwischen Szene und Behörde. Etliche Initiativen warten weiterhin auf die definitiven Bewilligungsbescheide für die Gelder, die ihnen bereits für Januar zugesichert waren und aus denen ihre laufenden Kosten hätten bezahlt werden sollen. Auch gibt es bisher aus der Behörde keine Bemühungen, mit den Initiativen zu sprechen und die eigenen Ideen, über das Wie und Wo der Einsparungen zu diskutieren.

Stattdessen grassiert die Einschätzung, daß die Willkür in Form einer „Schwandnerschen Hitliste“ (Brigitte Schulte-Hofkrüger, Kulturratssprecherin / Dacapo) den Rotstift leiten wird. Auch ihr Kulturratskollege Klaus Bernbacher teilt diese Einschätzung: „Meine Sorge ist, daß nach irgendeiner Prioritätenliste vorgegangen wird. Ich befürchte das in hohem Maße, weil Frau Trüpel nicht dialogfähig ist.“ Seine Vorstellung der Zuständigkeit der Kulturbehörde ist dagegen eine ganz andere. „Die sollen die Versorgung sicherstellen, nicht auch noch kulturpolitisch aktiv werden.“

Für die Bremer Kulturszene, die sich angesichts der drohenden Breitbandkürzungen nach Krönings Konzept als erstaunlich einig und mobilisierbar erwiesen hat, steht nun eine Zerreißprobe auf dem Programm. Wenn den ersten Initiativen der öffentliche Geldhahn abgedreht werden wird, laufen die Einzelinteressen auseinander und damit wird die Gemeinsamkeit brüchig. Dem entgegenzuwirken ist die kommende Aufgabe für den Kulturrat.

Zumal im April die ersten Verhandlungen für den Etat '94 beginnen, mit denen die Diskussion um den Sinn oder Unsinn von Kultur neu anstehen werden. Und damit bei dieser Debatte nicht vergessen wird, daß es in Bremen auch eine Kulturszene gibt, bereitet der Kulturrat weiterhin die „phantasievollen Aktionen“ vor, die letzte Woche beschlossen wurden. step