9,5 Mio. Finanzloch in St.-Jürgen-Klinik

■ Behörde betreibt Ursachenforschung / GesundheitspolitikerInnen waren ahnungslos

Aufregung in Bremens größtem Krankenhaus: Im Etat der St.- Jürgen-Klinik klafft ein Loch von 9,5 Millionen Mark. Seit letzter Woche ist das Defizit auch im Haus der Gesundheitssenatorin bekannt, doch keine der PolitikerInnen im Krankanhausausschuß der Bürgerschaft wußte von der Finanzlücke. Die Deputierten aller Parteien waren angesichts der neuen Zahlen ziemlich sprachlos. Noch weiß niemand genau, wie das Defizit zustande gekommen ist.

Am vergangenen Freitag war Klinikchef Karl Spindler beim Gesundheitsstaatsrat Hans-Christoph Hoppensack zum Rapport bestellt. Was dort besprochen wurde, das blieb allerdings vertraulich. Andrea Frenzel-Heiduk, Sprecherin des Gesundheitsressorts: „Wir wissen, daß da ein Defizit in der Höhe ist. Wir wissen aber noch nicht, wie es entstanden ist.“ Jetzt betreiben Klinikleitung und Ressortexperten gemeinsam Ursachenforschung.

Der Krankenhausausschuß der Bürgerschaft ist das Kontrollgremium für die Krankenhäuser, eine Art Aufsichtsrat für die Kliniken, die in sogenannte Eigenbetriebe Bremens umgewandelt worden sind, damit sie wirtschaftlicher arbeiten. Er ist identisch mit der städtischen Gesundheitsdeputation. Den Deputierten hatte Spindler noch im Dezember vergangenen Jahres ein Defizit von 3,2 Millionen erklärt — das heißt, er hatte es versucht. So richtig scheint niemand damals verstanden zu haben, wie das Defizit entstanden ist. Zuerst hatten runde acht Millionen Mark im Raum gestanden. Die waren aber, je länger die Klinikleitng rechnen konnte, auf 3,2 Millionen zusammengeschrumpelt.

Entsprechend groß war das Erstaunen, als die Deputierten zum Teil über informelle Kanäle am Wochenende oder gestern durch die Nachfrage der taz vom neuerlichen Finanzloch erfuhren. „Donnerwetter“, mehr konnte der FDP-Gesundheitsdeputierte Wilhelm Bringmann auch nicht sagen. Das hatte er noch nicht gehört. Ähnlich reagierte Ulrike Schreiber von der CDU: Erst hätten ja auch höhere Zahlen vorgelegen, aber neuneinhalb Millionen — „Ich kann mir das nicht vorstellen.“ Die Grüne Christine Bernbacher hatte auch „nur gehört, daß es mehr sein würden“. Und Barbara Noack von der SPD war „einigermaßen platt“ angesichts der neuen Zahlen. Es sei „äußerst befremdlich“, daß es für solche Mitteilungen keine offizielle Form gebe.

Donnerwetter und Platthiet, einigermaßen

In der St-Jürgen-Klinik selbst ist die Gesprächsbereitschaft nicht zuhause. Der Vorsitzende des Personalrats sei nicht da und überhaupt sei „keiner hier, der befugt wäre, zu solchen Themen Stellung zu nehmen“, hieß es aus dem Personalratsbüro. Und die Klinikleitung ließ sich trotz mehrfacher Anfragen nicht zu einem Rückruf hinreißen.

Die Mitglieder des Krankenhausausschusses hatten bei ihrer letzten Sitzung Anfang Februar gegenüber der Klinikleitung genügend Mißtrauen aufgebaut: Sie beschlossen, daß die Verwaltung alle drei Monate einen aktuellen Finanzbericht vorlegen soll. Wer am Ende das Defizit trägt, das ist noch nicht entschieden. Als eigenständiger Betrieb muß das Unternehmen die Gelder selbst wieder einspielen — theoretisch jedenfalls.

Es ist allerdings schwer vorstellbar, wie das gehen soll und daß letztlich die öffentliche Hand dabei nicht ins Spiel kommt. Jochen Grabler