„Übel, das ist

■ Marcia Pally sprach mit Danny DeVito,

Danny DeVitos doppelter Auftritt bei der Berlinale — als Regisseur von „Hoffa“ und Hauptdarsteller in Marshall Herskowitz' „Jack the Bear“ war kein sorgfältig geplanter PR-Coup, sondern schlicht das Ergebnis der Tatsache, wie DeVito bei seiner Pressekonferenz sagte, daß „ich für 'Hoffa' so lange gebraucht hatte und Marshall mit dem 'Jack' so schnell war“. „Hoffa“ hatte eine Produktionszeit von drei Jahren und war „in den USA an der Kinokasse eine gewisse Enttäuschung“, wie es ein Journalist gegenüber DeVito höflich ausdrückte. DeVito glaubt, der gewerkschaftsfreundliche Tenor des Films sei für den schlechten Besuch verantwortlich gewesen (obwohl bei den gegenwärtigen US-Arbeitslosenzahlen eine gewerkschaftsfeindliche Haltung bedeutet hätte, sich in den Fuß zu schießen — oder ein bißchen höher). Er hofft, daß Europa, wo man gegen kollektive Lösungen für soziale Probleme weniger voreingenommen sei, den Film besser aufnimmt. „Hoffa“ ist geprägt von einer schwungvollen Kameraarbeit, die an DeVitos frühere Filme „Der Rosenkrieg“ und „Throw Mama from the Train“ erinnert, und durch eine Hochglanzkünstlichkeit, die in den Vereinigten Staaten die klassische Klage der Gewaltverherrlichung nach sich zog. In „Hoffa“ spielt Jack Nicholson den Boß der mächtigsten Gewerkschaft der USA (den teamsters), Jimmy Hoffa, und DeVito einen erfundenen Assistenten, „eine Mischung“, wie DeVito sagte, „aus mehreren Leuten, einschließlich Chucky O'Brien, der angeblich Hoffas unehelicher Sohn war... oder war es sein adoptierter Sohn?“

taz: Wie kam es zum „Hoffa“-Projekt?

Danny DeVito: Als ich den „Rosenkrieg“ fertigstellte, hörte ich, daß David Mamet an einem Drehbuch über Jimmy Hoffa arbeitete. Ich bin ein großer Fan von Mamet, und deshalb bat ich die Fox, einen Kontakt herzustellen. Gab es Teamster in Ihrer Familie?

Soweit ich weiß, waren in meiner Familie keine. Mamets Vater war ein Gewerkschaftsanwalt, und das war einer der Gründe, warum er sich an das Thema setzte.

Was sagen Sie zu der Kritik, daß Sie einen Schurken verherrlichen?

In der US-Presse war das eine Minderheitsmeinung. Meine Generation erlebte die Fernseh-Diskussionen mit Hoffa — die McClellan-Hearings. Da waren all diese Leute aus dem Justizministerium mit all ihren juristischen Mätzchen auf der einen Seite, und auf der anderen Seite dieser Kerl, der sich verteidigen wollte. Man bekam sofort den Eindruck, die Leute aus dem Justizministerium wären die Guten. Ich wuchs auf in der Überzeugung, Hoffa sei eine Art Al Capone gewesen, der nur an sich dachte. Aber er arbeitete 24 Stunden am Tag für die Arbeiterbewegung und brachte die amerikanischen Arbeiter und Arbeiterinnen in die Mittelklasse.

Sie drehten Ihren Film während der Unruhen in Los Angeles. Gibt es eine Parallele zwischen den Streikbrecherkämpfen im Film und den Unruhen während der Dreharbeiten?

Wir drehten eine Szene, in der Hoffa draußen einen lauten Krach hört und glaubt, es sei ein Schuß, aber es ist nur ein explodierendes Bierfaß. Bei den Dreharbeiten hörten wir draußen einen lauten Krach, und das waren Schüsse. Ich mußte die Aufnahmen abbrechen und alle nach Hause schicken, während ringsum geplündert wurde.

Die Kamera läßt den Film eher als ein Märchen wirken, nicht wie einen Dokumentarfilm. Glauben Sie, das habe zu dem Vorwurf beigetragen, Sie verherrlichten Hoffas Gewalt?

Ihn im Dokumentarstil zu drehen, wäre etwas anderes gewesen. Das ist eine Entscheidung, die man als Regisseur treffen muß. Ich wollte den Film flüssig machen, nahtlos, nicht ruckartig wie „JFK“.

Wollten Sie die amerikanische Einstellung zu den Gewerkschaften ändern, nach zwölf Jahren Gewerkschaftsfeindlichkeit unter Reagan und Bush?

Es ist ein Jammer, was in den USA mit den Gewerkschaften passiert. Management und Regierung hatten sich vorgenommen, sie kaputtzumachen — und das ist ihnen gelungen. Sie waren wichtig für den amerikanischen Arbeiter, bloß erinnert sich keiner mehr daran. Als Hoffa zu den Teamsters kam, hatten sie 35.000 Mitglieder. Als er Präsident war, waren es zwei Millionen. Heute gibt es niemanden mehr wie ihn, der für die arbeitenden Menschen spräche.

Auch nicht Bill Clinton?

Clinton hat eine schwierige Aufgabe, aber ich setze einige Hoffnungen auf ihn. Sagen wir, ich bin auf seiner Seite.

Wollten Sie mit „Hoffa“ etwas gegen „JFK“ und diese Sicht der Kennedys setzen?

Nein. Manche Leute hatten etwas gegen meine Darstellung von Robert Kennedy, aber mir hat „JFK“ gefallen. Ich habe „Hoffa“ nicht im Verhältnis zu anderen Filmen gesehen.

Können wir noch mal zu der Frage der Verherrlichung der Gewalt zurückkommen?

Ich habe die Gewalt nicht verherrlicht. Ich habe lediglich Hoffa nicht als harmlosen Knaben dargestellt. Er war ein harter Bursche. Seine Verbindung mit den Kerlen, die Las Vegas bauten, stimmt. Er hat ihnen Geld geliehen, er machte Geschäfte mit ihnen — aber das tut auch der Gouverneur von Nevada. Hoffa verkaufte keine Drogen, er steckte den Pensionsfonds der Gewerkschaft in eine gute Investition. Der Pensionsfonds war 1957, als er Präsident wurde, vierzig Millionen Dollar wert. 1965 war er 550 Millionen Dollar wert; heute sind es elf Milliarden, aus denen 165.000 Leute Rente kriegen.

Als die Gewerkschaft begann, die Arbeiter zu organisieren, schickte das Management Schläger als Streikbrecher. Hoffa mußte ein Gegengewicht finden, irgend eine Methode, um zurückzuschlagen. Deshalb ging er zu den Leuten, die mit dem Schutzgeschäft Erfahrung hatten. Später, als die Ära der Schläger mehr oder weniger vorbei war, hielt er es für vernünftig, mit ihnen im Geschäft zu bleiben.

Während seiner Zeit als Präsident der Teamster konnte Hoffa das Geld zum Nutzen der Gewerkschaft kontrollieren. Als er ins Gefängnis kam, konnte der nächste Präsident, Fitzsimmons, die Leute, mit denen Hoffa Geschäfte gemacht hatte, nicht draußen halten, und die Dinge gerieten etwas außer Kontrolle.

Warum ist Hollywood so von der Mafia fasziniert?

Hollywood dreht Filme, um Geld zu verdienen, und die Mafia hat sich als lukratives Thema erwiesen. Aber – „Hoffa“ handelt nicht von der Mafia. Sie können diese Gewerkschafter nicht als Mafiosi hinstellen. So lautete die Anklage des Justizministeriums, aber Hoffas Investitionen waren legal. Er baute Kasinos in Las Vegas, und das ist rechtmäßig. Ich kriege langsam den Eindruck, wenn man einen italienischen Namen hat, gehört man automatisch zur Mafia.

Aber ich werde Hollywood mitteilen, daß Sie sich Sorgen über die Mafia-Filme machen, und nächstes Jahr kommt dann „Hoffa und die Pfadfinder“.

Der Film beginnt damit, daß Hoffa ein Gebäude in die Luft sprengt... Sie können nicht behaupten, Hoffa sei kein übler Kerl gewesen. Wie viel Gewalt braucht es, damit einer ein übler Kerl wird?

Übel, das ist doch relativ. Ich sage nicht, Hoffa habe niemals etwas Schlechtes getan, und Gebäude in die Luft zu sprengen, ist nichts Gutes. Aber Sie müssen es aus dem Blickwinkel der Gewerkschaft sehen. Sie organisierten sich, ihre Familie litten Hunger und die Bosse schickten Streikbrecher, um sie zusammenzuschlagen. Wenn sich niemand auf sie einließ, blieb ihnen nur die Gewalt. Ich will das nicht rechtfertigen. Vielleicht gab es einen anderen Weg. Aber sehen Sie sich all die Menschen an, denen Jimmy Hoffa half. Er tat, wozu er gezwungen wurde.

Haben Sie bei den Vorarbeiten zu dem Film mit Teamstern geprochen?

Ich sprach mit vielen Teamstern, sie waren sehr kooperativ, und ich sprach mit Hoffas Familie, mit seinen Kindern, genaugenommen. Sein Sohn ist Gewerkschaftsanwalt in Detroit, und seine Tochter ist Richterin. Die Gewerkschaft kam mir sehr entgegen.

Sie haben in Ihrer Karriere häufig als Schauspieler und häufig als Regisseur gearbeitet — ziehen Sie das eine dem anderen vor?

In den drei Jahren, die ich für „Hoffa“ brauchte, spielte ich in drei anderen Filmen, „Other People's Money“, „Batman kehrt zurück“ und „Jack the Bear“. Ich mag beides, aber es ist sehr aufregend, die Kontrolle über einen Film zu haben, eine Vision auf die Leinwand zu bringen.

Das Ende des Films, Hoffas Tod — ist das korrekt oder ist das Mamets Hypothese?

Es ist Mamets und meine Hypothese. Der letzte Ort, an dem Hoffa gesehen wurde, war ein Restaurant an der Landstraße, das ist richtig. Die Szene mit dem Mord und dem Lastwagen, ist Hypothese.

Die Ermordung von Robert Kennedy erfolgte, als Hoffa im Gefängnis war. Aber in Ihrem Film lassen Sie das aus.

Hoffa äußerte sich zu Bobby Kennedys Tod in der Dick Cavett Show, nachdem er aus dem Gefängnis entlassen worden war. Er sagte, es tue ihm leid wegen Bobbys Frau und Kindern, aber er habe 'mit dem Mann nichts am Hut gehabt'. Seine Feuer- und Wasser- Beziehung zu Robert Kennedy war kein Geheimnis.

Wie viel an „Hoffa“ ist Realität und wieviel Erfindung?

Soviel ist wahr: Hoffa beteiligte sich am Kampf der Arbeiterbewegung. Er wurde 1957 Präsident der Gewerkschaft der Lastwagenfahrer und kam 1967 wegen Mißbrauchs von Pensionsgeldern ins Gefängnis. Er wurde von Nixon begnadigt und klagte Fitzsimmons und Nixons Justizminister Colson an, sie hätten einen Handel abgeschlossen, ihn nach seiner Entlassung zehn Jahre lang aus der Gewerkschaft rauszuhalten. Er versuchte, sich die Kontrolle über die Gewerkschaft zurückzuholen. Es gab Explosionen — Fitzsimmons Boot flog in die Luft, glaube ich — und manche beschuldigten Hoffa, er habe dahinter gesteckt. Am 30. Juli 1975 verschwand er.

Die Innenszenen zwischen den Figuren, was sie zueinander sagen, wurden von Mamet entwickelt, außer den Szenen der McClellan-Hearings, die wurden den Protokollen entnommen.

Sie glauben also, Jimmy Hoffa sei aus politischen Gründen dämonisiert worden?

Er wurde als übler Kerl hingestellt, um die Gewerkschaft zu schwächen, aber es war ihm klar, daß jeder Präsident der Teamsters den gleichen Angriffen ausgesetzt gewesen wäre. Er nahm es nicht persönlich. Zum Schluß gelang es ihnen, ihn fertig zu machen und die Gewerkschaft zu schwächen. Nachdem ihn die McClellan-Hearings ins Gefängnis befördert hatten, verabschiedete der Kongreß zum Beispiel ein Gesetz, wonach Solidaritätsstreiks für andere Gewerkschaften verboten wurden.

Es gibt auf diesem Festival drei amerikanische Filme mit politischen Themen, „Hoffa“, „Malcolm X“ und „Love Field“. Was sagt das aus über die Vereinigten Staaten von heute?

Wenn in Amerika ein biographischer Film gemacht wird, sagt der eine Studioboss zum anderen: 'Hör mal, die machen eine Biographie. Wissen die was, was wir nicht wissen? Vielleicht sollten wir auch eine Biographie machen.' Und dann hat man drei Biographien in einem Jahr, oder man hat drei Filme über Leute unter Wasser, und dann kommt das Jahr mit den Schönheitssalons... Das sagt es aus.

Aus dem Amerikanischen

von Meino Büning