„Es geht nicht um Liebe, sondern um Aufgaben“

■ Der innenpolitische Sprecher der SPD, Hans-Georg Lorenz, zur Polizeireserve

taz: Sie haben vor zehn Tagen noch nachdrücklich die Existenz der FPR verteidigt. Hat sich das nun geändert?

Lorenz: Nein. Ich möchte erst einmal wissen, was an den neuen Enthüllungen wirklich dran ist. Die SPD wird verlangen, daß jeder aus der FPR entfernt wird, der entweder rechtsradikal belastet ist oder nach den Regeln des Beamtenrechts nicht Polizist sein dürfte. Bei der ersten Gruppe müssen wir die Regelanfrage beim Verfassungsschutz wieder einführen, die wir in der rot-grünen Koalition abgeschafft haben. Es muß auch eine Meldepflicht des Verfassungschutzes eingeführt werden. FPR- Mitglieder, die bei rechtsradikalen Aktivitäten auffallen, muß der Verfassungsschutz melden. Man kann aber nicht jemandem erst ein Bein stellen und hinterher noch höhnisch sagen, nanu, jetzt bist du hingefallen. So geht es nicht.

Sie wollen sagen, das Bein ist Ihnen von der AL gestellt worden, die damals die Regelanfrage abschaffte und heute das Versäumnis anprangert?

Nein, sage ich nicht. Wir waren doch alle für die Abschaffung der Regelanfrage. Wir waren alle der Meinung, Beamte dürften nicht bei der Einstellung auf ihre politische Gesinnung hin mit einer Regelanfrage belastet werden. Offensichtlich sind wir jetzt aber alle wieder der Meinung, daß diese Regelanfrage für FPR-Angehörige wieder gestellt werden muß.

Zwischen der Feststellung einer politischen Gesinnung und klaren Straftaten ist doch noch ein Unterschied.

Bei Straftaten gibt es klare beamtenrechtliche Regelungen. Das muß man bei der Einstellung überprüfen. Ist das unterblieben, muß man disziplinarische Maßnahmen einleiten. Wir müssen uns auch überlegen, ob wir die FPR alle drei, vier Jahre generell überprüfen.

Grüne und FDP wollen die Polizeireserve abschaffen. Wie verhält sich die SPD?

Die Koalition hat vereinbart, die FPR beizubehalten, wenn sie sich als effektive und preisgünstige Möglichkeit erweist, bestimmte Aufgaben bei der Verbrechensbekämpfung zu übernehmen.

Daran halten Sie fest?

Das wissen wir nicht. Wir müssen erst einmal sehen, wie viele Leute belastet sind. Von einem bestimmten Punkt an würde natürlich die Quantität in Qualität umschlagen. Dann wird man sagen müssen, die FPR kann auch gar nicht mehr effektiv sein – vielleicht auch nicht, weil sie keine Akzeptanz mehr in der Bevölkerung hat. Wenn die Fakten vorliegen, werden wir darüber ganz nüchtern entscheiden.

Innensenator Heckelmann und die Polizeigewerkschaft im Beamtenbund haben bereits erklärt, für den Skandal sei die rot-grüne Koalition verantwortlich.

Ich bin immer noch der Meinung, daß man keine Regelanfrage machen sollte. Nun müssen wir aber überlegen, ob wir bei einer prinzipiell richtigen Entscheidung vielleicht Probleme nicht gesehen haben, die teilweise erst später aufgetreten sind. Das ist ein nüchterner Vorgang. Schuldzuweisungen helfen da nicht weiter. Erst wollen wir hören, wie viele Leute wirkliche Kriminelle im beamtenrechtlichen Sinne sind. In der FPR gibt es beispielsweise viele Taxifahrer: Ich kenne keinen richtigen Taxifahrer, der noch keine Beleidigungsklage am Hals hatte.

Die Gewerkschaft der Polizei im DGB fordert die Auflösung der FPR, weil die Ansprüche der Gesellschaft eine effektive Berufspolizei erfordern.

Die Polizei kann doch viele Aufgaben gar nicht mehr wahrnehmen, die eben keine hohe Qualifikation erfordern. Beispielsweise geben wir mit 20 Millionen Mark das Doppelte, was die FPR kostet, dafür aus, daß private Wachorganisationen die U- und S-Bahn bewachen. Übrigens nicht sehr effektiv. Wenn die Polizei das übernähme, würde es schätzungsweise hundert Millionen Mark kosten. Deswegen ist die Alternative nur, entweder bestimmte Aufgaben eben nicht mehr wahrzunehmen oder sie zu privatisieren. Die Privatisierung aber ist für mich die weitaus schlimmste Lösung. Es gibt Hinweise, daß private Sicherheitsinstitute mafiose Strukturen haben. Beispielsweise standen im Europa-Center Leute, die sich nicht bewachen lassen wollten, plötzlich vor ihren zerstörten Geschäften. Daß die FPR keine Institution ist, die ich mit meiner Liebe verfolgen möchte, das gebe ich gerne zu Protokoll. Doch es geht nicht um Liebe, sondern darum, wie wir bestimmte Aufgaben erledigen. Wer schützt die Omas auf den Friedhöfen? Polizisten können das nicht. Aber brauchen wir dafür einen ausgebildeten Polizisten? Deswegen müssen die Alternativen klar auf den Tisch – aber nicht jetzt aus der Hüfte schießen. Interview: Gerd Nowakowski