Ernst Thälmann fällt, Marx und Engels bleiben

■ Kommission legt Empfehlung zum weiteren Umgang mit DDR-Denkmälern vor/ Abriß nur in wenigen Fällen

Berlin. Ernst Thälmanns 13 Meter hohe Bronzeplastik am Prenzlauer Berg wird aus dem Stadtbild verschwinden, Karl Marx und Friedrich Engels, aus dem gleichen Material, wenngleich nicht so monumental geformt, dürfen bis auf weiteres auf ihrem angestammten Forum gegenüber dem Palast der Republik verweilen. Diese Empfehlung zu den beiden zur Zeit umstrittensten Denkmälern der DDR enthält der Abschlußbericht der „Kommission zum Umgang mit den politischen Denkmälern der Nachkriegszeit im ehemaligen Ost-Berlin“, der gestern Kultursenator Ulrich Roloff-Momin übergeben wurde. Zehn Monate hat die Kommission annähernd 500 Objekte kategorisiert, darunter 200 Gedenktafeln und 87 Gedenksteine. Die „grundsätzlichen Empfehlungen“, die die zehn Experten zu einer ganzen Reihe davon abgegeben haben, werden nun im Senat und in den Bezirken beraten. Roloff-Momin rechnet damit, daß die Erörterungen bis zur Sommerpause abgeschlossen sind.

Die Kommission war eingesetzt worden, nachdem der Abriß des Lenin-Denkmals zu heftigen politischen Kontroversen geführt hatte. Roloff-Momin nahm sie gestern bereits prophylaktisch gegen Anfeindungen von „Ideologienostalgikern“ in Schutz. Die Zusammensetzung der Kommission mit sechs Mitgliedern aus dem Osten und vier aus dem Westen sei „über alle Verdachtsmomente erhaben, daß hier Sieger über Besiegte zu Gericht sitzen“.

Die Expertenrunde empfiehlt im Ergebnis einen sehr behutsamen Umgang mit den DDR- Denkmälern. Nur in wenigen Fällen legt sie einen Abriß nahe. Das gleiche Schicksal wie Ernst Thälmann soll lediglich dem Spartakus- Denkmal in der Chausseestraße und sämtlichen Denkmälern und Gedenksteinen „für ermordete Grenzsoldaten“ zuteil werden. Die Kommission will dies nicht als Votum gegen diese Toten verstanden wissen, doch sei nach dem Fall der Mauer „keine Berechtigung mehr für ihre Heroisierung und für die Ehrung eines keineswegs ehrenhaften Dienstes“.

Erhalten bleiben sollen hingegen eine Reihe von Denkmälern des sozialistischen Aufbaus, wie die „Richtkrone“ in der Allee der Kosmonauten und der „Bauarbeiter“ in der Karl-Liebknecht- Straße, sowie Ehrungen sozialistischer Ahnherren, wie das Hermann-Duncker-Denkmal in der Treskowallee und der Karl-Liebknecht-Gedenkstein in der Prenzlauer Allee. Auch das Monument für die Opfer der Köpenicker Blutwoche soll erhalten bleiben. Eine Reihe von Gedenkstätten, wie der Ehrenfriedhof der Märzgefallenen und die Gedenkstätte der Sozialisten in Friedrichsfelde, soll von DDR-sozialistischen Vereinnahmungen befreit werden.

Roloff-Momin hörte bereits gestern ob dieses Ergebnisses Wehgeschrei bei „den ideologischen Verfechtern des Erhalts oder Abrisses“. Er tröstete die Protagonisten damit, daß ein Kompromiß, der nicht wehtue, ein fauler sei.

Zu einem der wesentlichen von ihr erfaßten Baudenkmäler enthielt sich die Kommission einer Empfehlung. Über die weitere Nutzung der Neuen Wache unter den Linden, bislang Gedenkstätte für dier Opfer des Faschismus und des Militarismus, hat bereits Bundeskanzler Helmut Kohl im Alleingang verfügt. Dieter Rulff