Auf dem Highway ist die Hölle los Von Mathias Bröckers

In Entenhausen war es einst, daß Onkel Dagobert die Luft privatisieren wollte. Atmen, so plante er, sollte fortan bezahlt werden: „Jeder Seufzer einen Kreuzer – jedes Gähnen deren zehn!“ Natürlich geht die Sache schief, was eine deutsche Bundesregierung freilich nicht davon abhält, die Idee jetzt noch einmal aufzugreifen: Sie will die Autobahnen „privatisieren“. Und der zuständige Minister hat auch schon ein paar Dagobert-ähnliche Kalkulationen angestellt – ein Tagesausflug eine Mark, ein Jahresticket deren 360. Ein Aufschrei des Entsetzens war die Folge – bei einer Blitzumfrage sprachen sich 80 Prozent für einen sofortigen Rücktritt des Ministers aus. Nun zählt der oberste Regler des Verkehrs, Herr Krause, ja tatsächlich zu den grauenhaftesten und uninspiriertesten Figuren, die je einen Ministersessel in Bonn-Entenhausen bekleideten – sie besser vorgestern als übermorgen zum Rücktritt zu zwingen, ist also quasi erste Bürgerpflicht. Und hätte er, um dem beeideten „Wohle des Landes“ endlich einmal gerecht zu werden, zusammen mit der Autobahngebühr auch gleich noch die definitive Einführung eines Tempolimits verkündet, wäre der Fall wohl auch schon erledigt: 98 Prozent würden seinen Rücktritt fordern und keine Ruhe mehr geben, bis er abserviert ist. Seit ich meine pfeilschnelle Audi-Limousine mit einem Golf Diesel getauscht habe, sind deutsche Autobahnen wieder ein echtes Abenteuer: Ganz rechts rasen die Brummis statt mit den erlaubten 80 mit 100-110 km/h, was für einige noch zu langsam ist. Sobald ein Überholverbot aufgehoben wird, preschen sie nach vorn – auf der mittleren Spur mit zivilen 120 an der stinkenden LKW-Karawane vorbeizuziehen, wird dann lebensgefährlich: Doppelstöckige Reisebusse und leere Sattelschlepper scheren hemmungslos aus. Also ganz nach links. Aber da ist erst wirklich die Hölle los: Die Qualen im Fegefeuer dürften nichts sein gegen den Terror, dem ein mit der „Richtgeschwindigkeit“ von 130 km/h dahineilender Fahrer auf der linken Fahrspur ausgesetzt ist. Es hilft nichts: entweder zurück in die bedrohliche Nähe der rasenden 30-Tonner oder Tempo, Tempo, Tempo – 160, vor einer Generation noch als raketenartig geltend, sind dann längst nicht mehr genug. Wer Irre, Wahnsinnige, pervers Durchgedrehte erleben will, muß sich keine Hollywood-Thriller ansehen – auf der linken Spur einer deutschen Autobahn reicht ein Blick in den Rückspiegel. Insofern hat der Staatskassenfüllkünstler Krause ja ganz recht: Wer für den simulierten Nervenkitzel im Kino einen Zehner zahlt, dem sollte der reale BAB-Thrill erst recht ein paar Mark wert sein. Und es ist nur konsequent, künftig Eintritt für diese Live-Horror-Show zu verlangen, gleichzeitig aber auf ein Tempolimit zu verzichten – wer zahlt schon für einen zensierten Krimi? Am Ende könnte es ausgehen wie in Amerika: auf den Straßen ein Höchstmaß an Zivilisation und auf den Leinwänden die gröbsten Geschmacklosigkeiten. Aber da macht unser Entenhausener Superkanzler nicht mit: Bei uns wird allemal eher die Mutzenbacher indiziert, als daß dem leibhaftigen Porsche-Porno, der S-Klassen-Sodomie und dem allgemeinen PS-Mißbrauch ein Riegel vorgeschoben wird.