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QuerspalteEin ganzes Land kämpft um eine Frucht

■ Keine krummen Touren!

Was Kohl nicht schafft, der Banane gelingt es. Sie vereint das deutsche Volk. Einhellig wie nie zuvor verteufeln Ost- und Westdeutschland den heimtückischen europäischen Angriff auf eben jene Frucht, die zu Deutschland gehört wie Regen zu Großbritannien. Denn Bananen in Deutschland, die stehen für Freiheit und Wohlstand. Unvergessen der Moment, als 1949 die erste Nachkriegsbanane im Hamburger Hafen mit Pomp und Musik begrüßt wurde. Unvergessen auch die mutige Tat Konrad Adenauers, der 1957 im EWG-Vertrag ein zollfreies Bananen-Kontingent für sein Volk erstritt. „Die Banane ist eine Hoffnung für viele und eine Notwendigkeit für uns alle“, schmetterte der Kanzler seinerzeit durch den Bundestag. Ein Satz, der 32 Jahre später wieder Geschichte machte, als die Bürger der DDR die Mauer durchbrachen und die rote Fahne gegen gelbe Bananen eintauschten. Tiefe Zuneigung kennzeichnet seither das Verhältnis der Bundesbürger zur Banane: 14 Kilo werden im Westen, 24 Kilo im Osten pro Person und Jahr verschlungen. Nun jedoch will die EG dem nationalen Fetisch ein Ende setzen. Statt der großen, bewährten Frucht aus Lateinamerika sollen ab 1. Juli die kleinwüchsigen Früchte aus EG-Ländern und deren ehemaligen Kolonien Deutschland auf dem schweren Weg aus der Rezession begleiten.

Ein Unding, historisch betrachtet. Da wird landesweit zum Bananenkrieg geblasen. Das Hamburger Abendblatt droht: „Wem die ,Dollar-Banane‘ aus Lateinamerika zu teuer wird, muß noch lange nicht zur EG-Banane greifen.“ Zum Heulen ist der Mitteldeutschen Zeitung“ Halle: „Ausgerechnet Bananen mußten es aber sein, auf denen der EG-Ministerrat nun im Sinne des freien Welthandels ausgerutscht ist.“ Entschlossen kämpft der Kölner Stadt-Anzeiger um seine Banane: „Eine krumme Tour“ sei der Beschluß. „Die Landwirtschaftsminister haben dreist und ohne Hemmungen ein Lehrstück in Sachen Neokolonialismus geschrieben. Die Bananengeschichte ist so erschreckend eindeutig, daß sie zur Anschauung in die Schulbücher gehört. Ist das die Freiheit, die wir predigen?“

Ist es nicht, findet auch der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Eduard Lintner, und entdeckt sein Herz für die notleidenden Campesinos aus Lateinamerika. Der Beschluß der EG sei eine „Katastrophe für die Rauschgiftbekämpfung“. Die notleidenden Bananenanbauer werden mangels Alternativen förmlich gezwungen, auf Kokapflanzen umzusteigen. „Bleibt es bei dieser EG-Entscheidung, droht eine neue Drogenwelle, die uns um Jahrzehnte bei der Rauschgiftbekämpfung zurückwerfen wird“, prophezeit Lintner. Und verschweigt, wonach er und sein Land so süchtig sind: nach Serotonin, dem Wirkstoff der Banane. Der nämlich ist in diesen schweren Zeiten unerläßlich: Er vertreibt Depressionen. Michaela Schießl

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