Konvoi nach Cerska wird zum Testfall für UNO

■ Hilfsgüter für Ostbosnien werden von serbischen Truppen aufgehalten

Sarajevo/Pec (AP) – Heftige Kämpfe im serbisch-bosnischen Grenzgebiet blockieren die dringend benötigten Hilfslieferungen für rund 200.000 vom Hungertod bedrohte Muslime. Vertreter der Weltflüchtlingsorganisation UNHCR verhandelten am Montag mit den Kriegsparteien über eine mehrstündige Feuerpause, um zehn an der Grenze festsitzende UNO-Lastwagen in die belagerte Stadt Cerska weiterfahren zu lassen. Anhaltende Gefechte wurden auch aus Sarajevo und dem kroatischen Hinterland von Dalmatien gemeldet.

Die Kolonne mit Nahrungsmitteln und Medikamenten war am Sonntag in Belgrad aufgebrochen und an der Grenze von serbischen Soldaten gestoppt worden. Ihr Ziel ist die seit Kriegsbeginn vor zehn Monaten eingeschlossene Kleinstadt Cerska, wo noch 40.000 Bewohner ausharren sollen. Bereits am Sonntag hatte sich die ostbosnische Stadt Tuzla der Entscheidung der Stadtverwaltung Sarajevos angeschlossen, aus Protest gegen die mangelnde Versorgung der ostbosnischen Dörfer zunächst keine UN-Lebensmittel weiterzuverteilen. Der geplante Konvoi nach Cerska gilt als Test für die Fähigkeit der UNO, die Hilfe für diese Region zu sichern.

Der Sondergesandte des UNHCR, José-Maria Mendiluce, kritisierte die Weigerung von Sarajevo und Tuzla, die Hilfsmittel an die Bevölkerung weiterzugeben. Diese Entscheidung sei über die Köpfe der Betroffenen hinweg getroffen worden. Mendiluce betonte, daß die UNO-Mitarbeiter auch bei der Versorgung abgelegener Gebiete vor keinen Gefahren zurückgeschreckt seien. Die Luftbrücke nach Sarajevo blieb wegen Kämpfen in der Umgebung des Flughafens weiterhin eingestellt.

Die serbische Polizei in der Provinz Kosovo forciert nach Berichten unabhängiger Beobachter die Vertreibung von Albanern, die dort die Bevölkerungsmehrheit stellen. Willkürliche Verhöre, Schläge und nächtliche Razzien hätten seit dem Wahlsieg der serbischen Nationalisten offenbar stark zugenommen, sagte der britische Oberhausabgeordnete Lord Rea am Montag in Pec, einer Stadt im Süden von Kosovo. „Wir vermuten, daß die schrecklichen Übergriffe Teil einer Politik sind, die den Albanern das Leben so schwer machen soll, daß sie aus dem Kosovo wegziehen.“ In dem Dorf Leshan nordwestlich von Pec berichtete der Einwohner Adim Ardullahi, daß sich aus Angst vor der serbischen Polizei kaum noch jemand aus dem Haus wage. Die Albaner stellen im Kosovo nach vorliegenden Statistiken etwa 85 Prozent der 1,9 Millionen Provinzbewohner. Seit 1989 sollen jedoch bereits 350.000 Menschen in das südlich angrenzende Albanien geflohen sein.