Rassismus vor Gericht

■ Schwarzen Schüler mißhandelt: Ex-Skin finet einen nachsichtigen Richter

findet einen nachsichtigen Richter

Alltäglicher Rassismus sitzt tief, er ist oft unterschwellig, im Unterbewußtsein verwurzelt. Ein Beispiel dafür ist der 23jährige Soldat Stephan R.: Weil seine Freundin am Nachmittag des 13. Juli 1992 mit ihm „Schluß gemacht“ habe, so der Ex-Skinhead gestern vor Gericht, habe er sich mit Alkohol zugeschüttet. Als der schwarze Schüler Alexander um 19.25 Uhr seinen Weg kreuzte, flippte der Soldat aus.

Obwohl ihm Alexander nichts getan hatte, schlug R. ihm mit dem Unterarm ins Gesicht und zerrte ihn vom Fahrrad. Mit Fäusten drosch er mehrfach auf den Schüler ein, riß ihn dann zu Boden und trat ihm noch mehrmals mit Turnschuhen ins Gesicht. Als ein älterer Mann dem Schwarzen zu Hilfe kam, versetzte R. auch ihm einen gezielten Faustschlag ins Gesicht. Bilanz: Während Alexander mit einer aufgeplatzten Lippe, dicker Nase und Prellungen im Gesicht und am Oberkörper davonkam, attestierten Ärzte dem Helfer einen Augenhöhlen- und Jochbeinbruch.

„Was war denn da los?“ wollte Amtsrichter Henning Haage wissen. Antwort: „Ich weiß das auch nicht.“ Haage: „Sind Sie eine Gefahr für die Allgemeinheit, wenn Sie Alkohol getrunken haben?“ Und: Man könne „doch nicht jeden Neger vom Fahrrad hauen“. Schließlich: „Wie denken Sie denn heute über den Vorfall?“ R. daraufhin: „Ich hab' an dem Tag Scheiße gemacht!“ Nicht zum ersten Mal: Schon mehrmals wurde er wegen Diebstahl, Autofahren im Suff ohne Führerschein und Unfallflucht verurteilt. Zuletzt 1991 zu einem Jahr Haft auf Bewährung.

Der 13jährige Alexander kannte hingegen genau den Grund, weshalb er angegriffen worden war: „Wegen der Hautfarbe!“ Obwohl Haage es gut meinte, trat nun auch er ins Fettnäpfchen des alltäglichen Rassismus: „Neger kann man bei dir ja gar nicht sagen — bestenfalls so'n bißchen farbig, Richtung khaki. Mischling mit krausen Haaren.“

Stephan R. beteuerte in seinem Schlußwort, mit seiner rechtsradikalen Skinhead-Szene im März '92 gebrochen zu haben: „Das bringt doch da nichts.“ Er selbst habe jetzt eine thailändische Freundin. Doch für Staatsanwältin Yvonne Gerbl war der Fall klar: „Rassistische Motive waren der einzige Tatgrund.“ Und: „Es gehört schon eine ziemliche Dreistigkeit dazu, sich an einem 13jährigen Schüler zu vergreifen.“ Weil die diversen Vorstrafen nicht dazu geführt hätten, daß der Angeklagte seinen Alkoholkonsum reduziert, forderte sie sieben Monate Knast ohne Bewährung.

Doch Richter Henning Haage zeigte — sehr zum Unverständnis der Anklägerin — viel Milde, wollte das Glück mit der Thailänderin nicht zerstören, verurteilte den Ex- Skin nur zu einem Jahr Haft auf Bewährung. „Das Motiv steht für mich nicht fest“, urteilte Haage. Mit erhobenem Zeigefinger mahnte er: „Es ist eine Ausnahme!“ Stephan R. solle sich davor hüten, wieder auszuflippen, wenn ihm auch die neue Freundin wegläuft. Sonst gibt es Knast! Kai von Appen