Hamburg verbrennt

■ Vahrenholts katastrophale Abfallbilanz: drohender Müllnotstand, höhere Gebühren, mehr Abfallverbrennung, Schönberg-Ausstieg fraglich

: drohender Müllnotstand, höhere Gebühren, mehr Abfallverbrennung, Schönberg-Ausstieg fraglich

Allen Recyclingcontainern, Komposttonnen und grünen Punkten zum Trotz: Hamburg droht das Müllchaos. Weil die Bevölkerungszahl der Hansestadt rapide wächst und die boomende Wirtschaft immer mehr hausmüllähnlichen Gewerbemüll produziert, sind die hehren Absichten des Hamburger Abfallwirtschaftsplans von 1989 Makulatur. Im Klartext: Das Ziel, den Hausmüll zu reduzieren, ist in weite Ferne gerückt, und der für 1995 anvisierte Ausstieg der Hansestadt aus der Deponie Schönberg ist „hochgradig gefährdet“. Dies erklärte Umweltsenator Fritz Vahrenholt gestern vor der Landespressekonferenz.

Die große Unbekannte in Vahrenholts Entsorgungsprognose: Der Abfallkrieg mit Schleswig-Holstein. „Nur wenn Kiel uns wie zugesagt ab 1995 360000 Tonnen Müll abnimmt, ist der Ausstieg aus Schönberg machbar“, betont Vahrenholt. Doch die Zusage von 1990 ist vertraglich daran gebunden, „daß bis dahin die entsprechenden Entsorgungskapazitäten ... neu geschaffen werden können“. Das aber steht derzeit nicht in Aussicht.

Steigt Hamburg wie geplant 1995 aus Schönberg aus, rechnet Vahrenholt für 1997 mit einer Müll- Entsorgungslücke zwischen 70000 und 190000 Tonnen. Um dem drohenden Müllchaos zu entgehen, legte er gestern dem Senat ein Konzept zur Entsorgungssicherheit Hamburgs vor. Die Eckpfeiler:

— Trotz drohender Klimakatastrophe: Die Hamburgs Müllverbrennungskapazität soll „deutlich erhöht“ werden. Eine neue Müllverbrennungsanlage im Bereich des Hamburger Hafens ist im Gespräch. Rund 400 Millionen Mark veranschlagt Vahrenholt für den Bau. Außerdem prüft der Umweltsenator die technischen und rechtlichen Möglichkeiten, die Kapazität der bereits bestehenden Verbrennungsanlagen zu erhöhen.

— Um den Müllnotstand zu vermeiden, wenn mal der Kessel einer Verbrennungsanlage ausfällt, soll eine derzeit als Baustofflager genutzte Fläche am Sandauhafen in Altenwerder als Not-Zwischenlager für Abfälle hergerichtet werden.

— Um den Ausstoß von Dioxinen und Stickoxyden drastisch zu senken, will der Senat die Müllverbrennungsanlage Stellingen bis 1995 mit neuen Abgas-Filtern und Katalysatoren nachrüsten. Kostenpunkt: Mindestens 22,6 Millionen Mark. Da auch die Betriebskosten für die modernisierte Anlage nach Abschluß der Umrüstung rapide klettern, rechnet die Umweltbehörde mit einer erneuten Anhebung der Müllgebühren 1995 um 4,9 Prozent.

Doch schon in diesem Jahr werden die Abfallgebühren um voraussichtlich vier bis fünf Prozent steigen. Der Grund: Für jede der 450000 Tonnen Müll, die Hamburg 1993 voraussichtlich nach Schönberg liefert, verlangen die Deponiebetreiber statt bisher 145 Mark nun 192,15 Mark. Zwar hat die Hansestadt die Forderung noch nicht akzeptiert, doch besitzt sie im Verhandlungspoker mit Schönberg schlechte Karten. Die Deponiebetreiber wissen, daß die Hansestadt auf Schönberg angewiesen ist. Und bayerische Landkreise zahlen ihnen gar bis zu 400 Mark Entsorgungsgebühren pro Tonne. Marco Carini