Straßenbahn-Streit: Takte sollen bleiben

■ Senatorin sprach Machtwort / Preiserhöhung 94?

“Ich bin seit einem Jahr Aufsichtsratsvorsitzende der BSAG, und jetzt fällt das erste Mal das Fallbeil.“ Solche Vollstreckerqualitäten ist man von der sonst eher umgänglichen Bausenatorin und Aufsichtsratsvorsitzenden der BSAG, Eva-Maria Lemke- Schulte (SPD), eigentlich nicht gewohnt. Gestern aber machte sie in der Lobby der Bürgerschaft aus ihrem Herzen keine Mördergrube.

Die Straßenbahn-Gesellschaft hat noch in diesem Jahr ein zehn- Millionen-Loch zu stopfen, gut 1,9 Millionen Mark sollten durch Taktverlängerung und Streichung von Nachtlinien eingefahren werden. So jedenfalls lautete ein Vorschlag des Straßenbahn-Vorstandes, der am Freitag auf der Aufsichtsratssitzung beschlossen werden sollte.

Nach „Gesprächen“ zwischen BSAG-Vorstand und der Aufsichtsratsvorsitzende Lemke- Schulte sind diese Vorschläge jetzt vom Tisch. Sowohl die Nachtlinien als auch die Disko-Busse und die Taktfrequenzen bleiben, bestätigte die Aufsichtsratsvorsitzende gestern. Der BSAG-Vorstand soll das fehlende Geld woanders einsparen.

Die SPD zog die für gestern vorgesehene Aktuelle Stunde in der Stadtbürgerschaft zu diesem Thema sofort zurück. In der Erklärung der SPD-Fraktion heißt es: „Die ... Angebotseinsparungen in Höhe von 1,9 Millionen DM in 1993 werden durch Veränderung bei der Leistungserbringung realisiert, ohne die Koalitionsvereinbarung zu verletzen.“

Die SPD votiert — ebenso wie die Grünen — für Fremdfirmen, die mit der Übernahme bestimmter Strecken die Straßenbahn finanziell entlasten können. „Über Angebotsverschlechterungen ist mit uns erst zu reden, wenn alle innerbetrieblichen Maßnahmen zur Kostensenkung genutzt wurden“, teilte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende und verkehrspolitische Sprecher der SPD, Reinhard Barsuhn, mit.

Wo im einzelnen jetzt die 1,9 Millionen Mark, die durch die Takterweiterung eingespart werden sollten, herkommen sollen, ist noch nicht klar. „Das soll sich der Vorstand bis Freitag überlegen, der kennt seinen Betrieb am besten“, meinte Lemke-Schulte gestern. „Die haben in diesem Jahr 263 Millionen Mark. Ich sage das nur, damit mal klar ist, um welche Beträge es hier eigentlich geht.“ Bei diesen 263 Mio. Mark seien die 10 Millionen schon abgerechnet, die die Straßenbahn sparen soll. Lemke-Schulte: „Man kann über alles reden, Fremdvergaben, Fahrzeugverkäufe, möglicherweise auch über Fahrpreise, über die aber erst ab 1994.“

Aber selbst damit könne man die mangelnde Kostendeckung des ÖPNV nicht aufhalten, erklärte Lemke-Schulte. „Die Kostendeckung bei der BSAG liegt bei 50 Prozent, und bundesweit geht der Prozentsatz kleiner.“

mad