Christopher tritt in Bakers Fußstapfen

Heute tritt der neue US-Außenminister seine erste Nahostreise an, um die Hindernisse für eine Wiederaufnahme der arabisch-israelischen Verhandlungen beiseite zu räumen  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Der neue US-Außenminister Warren Christopher hat heute seine erste Nahostreise angetreten, und ist damit in die Shuttle-Diplomatie seines Vorgängers James Baker eingestiegen. Gründe gibt es mehr als genug, denn die Nahostverhandlungen sind im Dezember infolge der israelischen Deportation von rund 400 Palästinensern wieder einmal in eine schwere Krise geraten. Am Tag vor seiner Abreise nach Kairo hat Christopher seinem israelischen Kollegen Schimon Peres im State Department zu einem „Einführungsgespräch“ empfangen.

In israelischen Regierungskreisen nahm man die Begegnung der beiden Außenminister mit Zufriedenheit zur Kenntnis, da Christopher auf seiner Nahosttour zuerst die arabischen Staaten besuchen wird. Erst am 22. Februar, also gegen Ende der Reise, wird er nach Jerusalem kommen.

Abgesehen von bilateralen Fragen und der zukünftigen israelischen Rolle in der amerikanischen Nahostpolitik, standen in Peres' Gesprächen mit Christopher vor allem die Probleme der multilateralen und bilateralen arabisch-israelischen Nahostgespräche zur Debatte. Letztere sollen voraussichtlich im April wieder aufgenommen werden.

Die Frage ist vor allem, wie die Palästinenser wieder an den Verhandlungstisch zurückgebracht werden können, obwohl die UNO in der Frage der israelischen Deportationspolitik auf amerikanischen Druck hin untätig geblieben ist. In Washington herrscht die Meinung, daß Israel wenigstens auf anderen Gebieten eine Reihe versöhnlicher Gesten machen sollte. Dies könnte sowohl im Rahmen der bilateralen Gesprächsagenda mit den Palästinensern geschehen als auch im Umgang mit der Bevölkerung in den besetzten Gebieten.

Die Clinton-Regierung hat allen Nahostkonfliktparteien klargemacht, daß sie sich aktiv für eine Intensivierung des Friedensprozesses einzusetzen gedenkt, daß sie jedoch einen konstruktiveren Beitrag von den Beteiligten erwartet, „damit sich das amerikanische Engagement auch lohnt“. Das soll heißen, daß man in Washington derzeit mit dringenderen Fragen beschäftigt ist. Wenn sich die Regierungen im Nahen Osten nicht endlich ernstlicher um ein Fortkommen bemühten, werde die US- Regierung auch weniger Kräfte in den „Friedensprozeß“ investieren.

Für die Palästinenser hat Feisal Husseini in Ostjerusalem erneut deutlich gemacht, daß sie aus dem Verhandlungsprozeß mit Israel nicht ausgestiegen sind, sondern ihre Beteiligung zeitweilig „suspendiert“ hätten. Alles weitere hänge jetzt von der Entwicklung in der Deportationsfrage und von den Umständen ab, unter denen man ihre Rückkehr an den Verhandlungstisch erwarte.

In erster Linie fordern die Palästinenser, daß die israelische Regierung den brutalen Unterdrückungsmaßnahmen in den besetzten Gebieten ein Ende setzt und eine Änderung in der Zusammensetzung der palästinensischen Verhandlungsdelegation akzeptiert. Neben „Vertretern des Widerstandes“ in den besetzten Gebieten soll in Zukunft auch die PLO „als solche“ beteiligt sein.

Husseini wich im übrigen von der offiziellen Haltung der palästinensischen Führung insofern „versöhnlich“ ab, als er die israelischen Konzessionsvorschläge den Deportierten gegenüber als „ein positives Resultat des Druckes der USA auf Israel“ bezeichnete. Das zeige, „was Washington erreichen könne, wenn es wolle und wenn wir einmal das Stadium der praktischen Fragen in den Verhandlungen erreicht haben.“

Nabil Schaath, der politische Berater des PLO-Vorsitzenden Arafat, hat jedoch bekanntgegeben, daß die Palästinenser die Verhandlungen mit Israel nicht wieder aufnehmen werden, solange das Problem der Deportierten ungelöst bleibt. Die palästinensische Führung steht vor einem schweren Dilemma, weil sie es angesichts der Empörung in den besetzten Gebieten nicht wagen kann, die Verhandlungen mit Israel wieder aufzunehmen, solange die rund 400 Deportierten weiter im Südlibanon frieren müssen. In den besetzten Gebieten wird der amerikanisch-israelische Deal in der Deportationsfrage abgelehnt.

Trotzdem werden die palästinensischen Führer in Ostjerusalem voraussichtlich bereit sein, am kommenden Dienstag mit dem neuen US-Außenminister zusammenzutreffen.

Nach Annahme palästinensischer Sprecher in den besetzten Gebieten wird Israel von Amerika gezwungen werden, noch vor Beginn der bilateralen Verhandlungen im April eine Reihe weiterer Konzessionen zu machen, „so daß die meisten Deportierten oder sogar alle bis zum Sommer in die von Israel besetzten Gebiete zurückkehren können.“