■ Mit dem Zuckerpreis auf du und du
: Das Europa-Kartell

Berlin (taz) – Noch in diesem Sommer wollte die EG ihre Marktordnung für Zucker reformieren. Der Termin wurde jedoch auf unbestimmte Zeit verschoben, nun will man zunächst in der Gatt-Runde über den süßen Stoff verhandeln, von dem die EG bisher rund 15 Millionen Tonnen jährlich produziert. Das ist zuviel für den eigenen Verbrauch, der im letzten Jahr bei 11 Millionen Tonnen lag. Der Rest wird also exportiert, was aber nicht heißt, daß die europäischen Rübenanbauer die Konkurrenz des Weltmarktes zu fürchten hätten: Zwei Drittel ihrer Exportmenge werden auf das Niveau der europäischen Binnenpreise hochsubventioniert. In Zahlen: 100 Kilogramm Zucker werden den Händlern innerhalb der EG für 125 Mark abgenommen, auf dem Weltmarkt sind dafür gerade mal 48 Mark zu bezahlen.

Nicht nur die Freihandelswächter im Gatt nehmen daran Anstoß. Die Vertreter der AKP-Staaten bei der EG in Brüssel sind überzeugt, daß daß vor allem die EG-Exporte den Zuckerpreis weltweit runiert haben. Wichtige Absatzmärkte für die Dritte Welt seien damit blokiert.

Vergangene Woche haben in Hamburg Referenten aus den Philippinen, Jamaica und anderen AKP-Staaten versucht, Vertretern der Bundesregierung, der deutschen Zuckerindustrie und der EG ihren Standunkt zu erklären. Ohne Erfolg: Das Bonner Landwirtschaftsministrium kann schlicht keinen „Handlungsbedarf“ erkennen, der angereiste Vertreter der EG-Kommission überraschte die von mehreren Dritte-Welt Initiativen organisierte Konferenz mit dem Satz: „Wir haben keine Überschüsse bei Zucker.“ Immerhin mußte er sich von einem anderen Mitarbeiter der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft belehren lassen, daß die Überschußproduktion mit ihren „katastrophalen Auswirkungen auf den Weltmarkt“ in „absehbarer Zeit“ nicht begrenzt werden könne.

Genau das fordert aber sogar der deutsche Rechnungshof. Die Wächter über den Agrarhaushalt verlangen eine Senkung der Zuckerüberschüsse um 20 Prozent. Das Zuckerkartell läßt sich jedoch nicht beeindrucken. Lediglich im Zuge der Beitrittsverhandlungen Großbritanniens erhielten außereuropäische Zuckeranbauer seinerseits eine kleine Chance: Weil die Briten ihre Zuckerimporte aus ihren ehemaligen Kolonien schonen wollten, wurde den AKP-Staaten erlaubt, jährlich 1,3 Millionen Tonnen in der EG zu Binnenmarktpreisen abzusetzen. nh