Aufgeräumte nordische Bilder

Zwischen Reeperbahn und Ratlosigkeit: Hamburger Filmkunst auf der  ■ Berlinale

Während das Festival sich gigantisch gibt, steht der Hamburg- Stand in einer Ecke — nicht nur für Filme, auch für's Menschliche zuständig. Die Hamburger Journalisten sind froh, hier ihr Herz ausschütten zu können, über die chaotische Organisation, schlechte Filme und undurchsichtige Auswahlkriterien. Dann rennen sie wieder los, um im Zoo-Palast über den donnernden Beifall für Spike Lees Malcolm X den Kopf zu schütteln, oder um bei der Vorführung einfach einzuschlafen.

Neben all den Mammut-Produktionen haben die Hamburg-Filme den gewohnt schweren Stand. Winfried und Barbara Junges Langzeit- Beobachtung über die Kinder von Golzow Drehbuch: Die Zeiten kann sich trotzdem durchsetzen, 30 Jahre haben die Ex-Defa-Dokumentaristen ihre Protagonisten begleitet, vom Mauerbau bis zur Wende. Das Interesse des Publikums an den Bildern der eigenen Geschichte ist auch durch die Berlinale nicht wirklich zu ruinieren — zu Festival-Chef Moritz de Hadeln ist diese Einsicht nie vorgedrungen.

Gern gesehen wird auch Lars Beckers Schattenboxer, eine Reeperbahn-Noir-Erzählung über drogenhandelnde Ausländerpolizisten, Asyl und Männerfreundschaft. Die Inszenierung ist aufgeräumt-spartanisch wie Wir können auch anders, Detlev Bucks Wettbewerbs-Beitrag. Ein norddeutsches Phänomen? Jedenfalls bleibt beim ehemaligen Landwirtschafts-Lehrling Buck nur die schöne Gegend übrig.

Doch die alten Zeiten sind nicht vorüber, weder cinematographisch noch politisch. Thomas Mitscherlich erinnert daran. Er erhält mit seinem Wettbewerbsbeitrag Die Denunziantin, featuring Katharina Thalbach, das Genre des fiktiven Vergangenheits-Bewältigungsfilms am Leben, obwohl dieser Filmtypus den Ausländerhaß unserer Tage nicht im geringsten verhinderte.

Warheads: Romuald Karmakar hat sich in einem ratlosen Porträt mit dem Thema Berufskrieger befaßt. Drei Stunden lang erzählen Günther Aschenbrenner und andere von der Wahrheit des Krieges, ohne sie sichtbar zu machen.

An einen Preis wollen die Hamburger nicht glauben, obwohl sich zumindest Jury-Mitglied Susan Strasberg, Tochter des legendären Schauspiel-Lehrers Lee Strasberg, von Bucks Hauptdarsteller Joachim Krol begeistert zeigen müßte. Er zeigt, wieviel Ausdruck in der Kunst der eigenen Beschränkung liegt - der Berlinale zur Nachahmung empfohlen. cat