St.-Jürgen-Personal soll jetzt gekürzt werden

■ Personalversammlung der Klinik: Sparpläne des Klinikdirektors / „Mehr Geld ausgegeben als eingenommen“

Kein Stuhl blieb unbesetzt und am Eingang drängelten sich die MitarbeiterInnen des Betriebes um die Stehplätze — 300 Angehörige des Krankenhauses wollten gestern auf der Personalversammlung des St.-Jürgen- Krankenhaus wissen, wissen, was der angeschlagene Verwaltungsdirektor Karl Spindler zum Finanzloch der Krankenhauses zu sagen hatte. Da solche Versammlungen streng nichtöffentlich sind, wurde die Kamera von Buten & Binnen hinauskomplimentiert.

Personalratsvorsitzende Irmgard Danne eröffnete die Sitzung. (vgl. taz 16./17.2.) In bedeckt grau-braunem Anzug trat dann der Direktor Spindler ans Rednerpult. Er wisse, daß man zwei Fragen an ihn habe, sagte er. Einmal möchte man über die wirtschaftliche Situation aufgeklärt werden, und zum anderen möchte man wissen, was aus dem Verwaltungsdirektor werde? Sein Versuch, etwas jovial zu sein, scheiterte: Kein Lächeln im Saal ward gesehen. Zum Schicksal seines eigenen Kopfes gab er nur die Auskunft, daß Gespräche zwischen ihm und der senatorischen Behörde stattfänden.

Seine Erklärungen des Finanzdefizits waren dafür umso ausführlicher: Jahresabschlußbuchungen brauchten ihre Zeit, war die Entschuldigung für die späte Bekanntgabe des Finanzdesasters. „In 91 hatten wir nicht alle Stellen besetzt. Da hatten wir ein Finanzpolster in Millionenhöhe, eine Reserve, die 92 gefehlt hat. Diese Reserve ist aufgezehrt worden“, sagte Spindler.

Im Saldo hätte man zwei Größen: die Mehrerträge von 3,6 Millionen, und die Mehrausgaben von 13 Millionen. „Wir haben wesentlich mehr Geld ausgegeben als eingenommen, das ist unser Problem“, erkannte Spindler. Keiner lachte.

Im „medizinischen Bedarf“ fand Spindler Ausgabenüberschreitungen von 1,5 Millionen, und der Instandhaltebereich sei mit 1,4 Millionen überzogen worden. Wobei man berücksichtigen müsse, daß es sich um eine alte Bausubstanz handele. Außerdem hätte es Fehler sowohl in der Patientenstatistik gegeben: 4.100 Berechnungstage zu viel. Er habe eben nicht so genau gewußt, wieviel Personal er hatte: „Ausgeschiedene Mitarbeiter wurden statistisch mitgerechnet“. Irgendwann muß das aufgeflogen sein.

Spindler kündigte seinen Beschäftigten die Konsequenzen seiner Mißwirtschaft an: Die Stellensperrfrist soll auf 6 Monate angehoben werden (3 Monate für den Pflege- und Funktionsdienst.) Ausnahmeregelungen müßten über seinen Direktionstisch laufen. Eventuell soll es Mutterschafts-Vertretungen mehr geben. Die Frauenstation 1 (Intensiv) wird dichtgemacht. Bei der Hals-Nasen-Ohren-Klinik werden die Stationen 2 und 3 zusammengelegt. Insgesamt müßten 80 Vollkräfte im Personalbereich eingespart werden, dies entspräche seiner Rechnung nach etwa 5 Millionen, d.h. der Hälfte seiner Schulden.

„Es ist unerheblich, ob die Sparmaßnahmen von einem Verwaltungsdirektor Spindler mitgetragen werden, oder einem Verwaltungsdirektor Müller oder Schulze“, schloß Spindler seine Ausführungen.

Einer der Krankenhausmitarbeiter schlug vor, bei den Personalkürzungen mit Spindlers Stelle anzufangen. Der Saal lachte befreit. Andere KrankenhausmitarbeiterInnen fragten empört, wie das gehen solle, noch mehr zu arbeiten? Resignation machte sich breit, und die Reihen des Saales lichteten sich.

Vivianne Agena