Sanssouci: Vorschlag
■ „Ein Irrer ist menschlich“ – Hans Werner Olm spielt im Mehringhof Theater
Hans Werner Olm ist ein Phänomen. Bereits eine dreiviertel Stunde vor Beginn seines Programms stehen süchtige Zuschauer Schlange bis auf den Hof hinaus. Hat man den wärmenden Eingangsbereich erreicht, fällt der fußmüde Blick auf eine Tafel, auf der markiert ist, wie viele Vorstellungen im voraus ausverkauft sind. Und das sind eine ganze Menge. Kurz vor Beginn – jede Sardine hat ihren Platz – steigert sich die Stimmung bis zu einem nicht festlegbaren Höhepunkt: Die Zuschauer sind eins geworden in ihrem Wunsch nach guter Laune. In den Saal geworfene Stichworte – aus einem alten Olm-Programm vermutlich – reichen aus, die angeheizten Gemüter zum Kochen zu bringen. Als Nicht-Olm-Kenner fühlt man sich ausgeschlossen, ausgeschlossen aus einem Zirkel Wissender, sitzt ernst und stumm da und will auch wissen.
Kabarettist ist er eigentlich nicht, der Hans Werner Olm, vielmehr Entertainer der amerikanischen Schule und Parodist. Er packt keine heißen Eisen an, sein Programm zeigt den ganz alltäglichen Wahnsinn. Die Parodien sind Typisierungen von Mitmenschen, wie man sie selbst schon in genau die gleiche Schublade gepackt kennt. Da ist Rudi, Sinnbild für das dumm-verquast Intellektuelle, der Frauen auf einer Fete mit einem fremdwörtergespickten Vortrag über Malevichs suprematistisches, schwarzes Quadrat anzumachen versucht – und dabei natürlich gehörig baden geht. Frauen fahren vor allem auf Schreiberlinge, Maler und Esoteriker ab, glaubt Olm zu wissen. Begeisterte Zurufe aus dem Publikum – Olm scheint recht zu haben.
Das Was oder gar Warum ist bei Olm nicht wichtig, es zählt nur das „Wie“, das Entertainment. Fast wahllos macht sich Olm über alles lustig, was ihm unter die Finger kommt. Alles ist netter Spaß und nie gemein. Da wundert es auch nicht, daß selbst eine Hitler-Parodie zu reinem Vergnügen gerinnt, die Lacher hat er kritiklos auf seiner Seite. Gegen Ende packt er seinen running gag aus, spürbar bekannt aus dem letzten Programm: Günni Schwagalla, den Ruhrpott-Prol und Mantafahrer mit Goldkettchen, der am Ende jedes gestammelten Satzes „Ey, hömma“ lallt und der die Fangemeinde dankbar an den Rand der Hysterie führt. Aber das kennt man bereits alles, die Klischees sind selbst schon zu Klischees geworden, möchte man in den Saal rufen. Angesichts der stark toxisch reagierenden Masse verhält man sich besser still. Hans Werner Olm ist eben ein Phänomen. Anja Poschen
Bis 28.2., Mi.-So., 21 Uhr im Mehringhof Theater.
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