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Sparta ist überall

■ „Warheads“ von Romuald Karmakar: Eine Studie über die Fremdenlegion (Forum)

Unter den drei oder vier deutschen Jungfilmern, die zur Zeit als heiße Ware gehandelt werden, ist Romuald Karmakar mit Abstand der profilierteste. Hervorgegangen aus dem Dunstkreis des legendären Münchener Werkstattkinos hat er bisher in allen seinen Filmen martialische Rituale, entfesselte Aggressivität und vor allem stählerne Körper gezeigt: „Coup de Boule“ beobachtet Soldaten in einer Kaserne, die ihre Zeit damit verbringen, die Köpfe gegen Stahlspinde zu schlagen; in „Demontage IX“ hat er eine Performance des österreichischen Aktionskünstlers Flatz verfilmt, bei der dieser sich von einem Glöckner gegen Stahlplatten schlagen läßt. „Gallodrome“ ist die Dokumentation blutiger Hahnenkämpfe in Nordfrankreich am Nationalfeiertag, und schließlich zeigt „Hunde aus Samt und Stahl“, wie Herr und Pitbull — importierte Killerhunde — in Hamburg miteinander leben.

Natürlich ist er angegriffen worden für die Auswahl seiner Sujets — er distanziere sich nicht genug von der stählernen Blutrünstigkeit, die er da beobachtet — und natürlich hat dieser Vorwurf ihm eher genützt als geschadet (speziell die New Yorker Filmszene, die ein Händchen für diese neue Art schwuler Ästhetik hat — man erinnere sich an „Daddy and the Muscle Academy“ — war von Karmakar begeistert). Sei's drum — als Filmemacher ist ihm schlechterdings nicht am Zeug zu flicken. Wenn er keine Schwäche für Militaria hätte, dann wäre er nie ins Allerheiligste der Warheads vorlassen worden, und wir wären immer auf Helke Misselwitz's Version der Wirklichkeit angewiesen.

Nirgendwo ist Karmakar bisher so weit auf eine terra incognita vorgedrungen wie mit seinem jetzt im Forum präsentierten Film „Warheads“, einer Studie über Söldner der Fremdenlegion. Es beginnt in den Wäldern Mississippis. Dort, wo Amerika schon immer am skurrilsten war, trainiert eine Gruppe von Männern für den Einsatz in Bananenrepubliken. Alte Schlachtrösser, die Algerien, Burma oder Nicaragua hinter sich haben, und junge Neugierige proben den Erstfall. Sie müssen sich, unter Heulen und Zähneklappern, CS-Gas unter die Nase reiben lassen, durch den Schlamm robben, ein Lager überfallen oder einem Gegner im Nahkampf ein Messer entwinden. Auch wie man jemanden zum Reden bringt, der nichts sagen will, wird ihnen hier beigebogen. Wer vierzehn Tage dieses Training durchhält, bekommt eine kleine Auszeichnung, denn die wenigsten können es ertragen.

Vereinzelt hören wir Lebensläufe. Günter Aschenbrenner war Kind eines SS-Mannes, der beim Rußlandfeldzug fiel. Seine Mutter ist angeblich in Nürnberg verurteilt worden, bekam keine Kriegerwitwenrente, die Familie lebte isoliert, angefeindet, und Günter wuchs bei Jesuiten auf. Als er seinen Sportlehrer schlug, war es vorbei mit der Priesterlaufbahn. Weil Frankreich immer eine große Anziehungskraft auf ihn gehabt habe, sei er in die Fremdenlegion eingetreten. Nackt, ohne Namen, ohne Vergangenheit, wurde er entlaust, desinfiziert, „wie die Aufnahme in einem KZ“, meint Aschenbrenner nachdenklich. Das war vor fast vierzig Jahren. Seither ist sein Geschäft der Krieg.

Die Männer kennen und lieben sich. Wer ausschert, eine Frau heiratet, ist ein Schlappschwanz. „Gab es denn auch tragische Fälle, von Leuten, die sich erschossen haben? “ will Karmakar wissen. „Fünf von dreiundvierzig“. Und? „Das ist eine Politik wie andere auch.“ Hinter den Erzählungen, die sich oft um die Körper der Männer drehen, scheinen im Laufe der drei Stunden, die der Film dauert, eine Reihe von Gemetzeln auf, die kein Reality-TV je so grauenhaft illustrieren könnte.

Sie verbergen sich hinter jovialen Euphemismen von „Ordnung schaffen“ bis „Informationen holen“ oder dann schon auch mal „platt machen“. Wie oft in Karmakars Filmen werden auch hier martialische Initiationen zum religiösen Ritual: Die Männer knien, um sich das CS-Gas auf die Oberlippe streichen zu lassen; trinken sich blind, geben sich neue Namen („they call us mercenary of death“) — so wird in „Demontage IX“ der Aktionskünstler schließlich vom Seil wie von einem Kreuz abgenommen, von Brüdern.

Sie kennen weder Zeitabläufe noch Geographien, schon gar keine politischen Entwicklungslinien. Die Welt zwischen Nicaragua und den Philippinen schnurrt ihnen zusammen auf ein einziges großes Einsatzgebiet, die Internationalität auf die große Familie der Legionäre. Kein Radio, keine Zeitung erreicht sie in ihrem Niemandsland. Als die deutschen Rekruten — alles ehemalige SS- Leute, die in der Heimat nichts mehr werden konnten — abends in den Kasernen das Horst-Wessel- Lied sangen, schritten die französischen Offiziere nicht ein. „Die Seele der Legion ist deutsch“ erklärt der Leutnant, „die wollen die Moral der Truppe auf dem höchsten Stand halten.“

Wie Thomas Heise's „Stau“ mit den Skins aus Halle ist Romuald Karmakar liebevoll mit seinen Leuten. Die Kamera ist überhaupt kein Fremdkörper mehr, organisch fügt sie sich in das Auf-und Ab der Truppenbewegungen von Mississippi bis nach Kroatien. Der Gestus des Filmens gleicht dem festen Händedruck eines Botschafters. Mit Distanz und Klarsicht zeigt sich hier eine Eigenschaft, die vielen Dokfilmern abgeht: wirkliche Neugier. Mariam Niroumand

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