: Pubertäre Lüste — pubertäre Nöte
■ Die Fünfziger in Australien: David Elfick's „Love in Limbo“ (Panorama)
Ken Riddle, Sohn einer alleinerziehenden Mutter, ist nur von einem Gedanken beherrscht: Sex. Er betreibt schwunghaften Handel mit selbstgezeichneten Frauen- Akten in seiner Schulklasse, sieht seine klassische englische Literatur rezitierende Lehrerin entkleidet auf sich zukommen und belehrt den väterlichen Onkel-Freund, der ihn aufklären soll, über Orgasmus und vorzeitige Ejakulation.
In der Schule hält es so einen nicht, zumal nachdem der Pornohandel aufgedeckt wurde. Riddle, der gar nicht rätselhafte, mit einer gräßlichen Hornbrille bewehrt, bekommt einen Job im Wäsche-Betrieb seines Nenn-Onkels. Dort trifft er zunächst auf den exzessiv braven und religiösen bloody Pom, einen verklemmten Herrn der Wäsche und griechische Einwanderinnen, die eigentlichen Arbeiterinnen der Firma.
Später kommt ein trueblue Aussie boy dazu, ein Draufgänger, der einen geklauten alten Morris beschafft, mit dem die drei Jungs durch die Gegend gondeln, vornehmlich auf Sauf- und Mädchen- Touren.
Der Verkäufer Mr. Wiseman wird Kens abstoßend-anziehendes Vorbild in Sachen Mädchen-Aufreißen, bis dieser sich schließlich mit Kens Mutter zusammentut, die auf sein Geheiß hin das „House of Elegance“, zwecks Produktion eigener Modefabrikate, gegründet hat. „Love in Limbo“, Liebe in der Schwebe, hat in David Elficks Film vielerlei Varianten. Erst auf der Weihnachtsfeier des Betriebs, die von Mrs. Riddles erster Modenschau gekrönt wird, finden die Richtigen dann endlich zueinander: Ken küßt die ballett-tanzende griechische Emigrantentochter Eleni, Pom die eben noch eher blöde gickelnde Riddle-Schwester, Ex-Schwerenöter Wiseman legt einen altersgerechten Rock'n'Roll mit der Designer-Mutter auf's Wäschebetriebsparkett, und Aussie wird beim Kuß mit seiner eigentlichen Liebe von einer Bordell-Bekanntschaft gestellt. Zu alledem gibt's die wunderbare R&B-Musik von Little Willie.
Pubertätsgeschichte, Musikgeschichte, Zeit-Bild. (Fast) alles von hohem Unterhaltungswert, in prächtigen, genau berechneten Standbildern, in einem Licht, das AustralienkennerInnen als unzweifelhaft „typisch australisch“ identifizieren und eingerichtet in frappant stilisierender Treue zum Fünfziger-Jahre-Design und -Detail.
Doch genau da bricht der Film immer wieder ein und erliegt seinen sorgfältigen Dekors, geht die recht schlichte, aber doch heiter und leicht erzählte Geschichte im Ambiente unter. Gesellschaftliche Probleme werden weichgezeichnet, zumal die der Australien- EmigrantInnen. Wenn die griechische Einwanderin fast noch herzhaft in die Schlange auf ihrem Sandwich beißt, dann ist das für europäische KinobesucherInnen kaum mehr als ein mutwilliger Gag. AustralierInnen wüßten, daß dieser scheinbar harmlose Scherz durchaus eine reale Drohung enthält.
Die fünfziger Jahre, in denen die Einwanderung aus Europa boomte, waren in Australien auch eine Zeit verschärfter Fremdenfeindlichkeit, eine Zeit der Armut überdies. Bilder vom wüsten, mitreißenden rock'n'rolling im Freiluftkino zu Perth erscheinen daher eher als Wunsch-Phantasma eines geborenen Australiers, dem der allgemeine Mangel an Kultur und Vergnügen in seinen Jugendjahren einfach deswegen nicht auffiel, weil er ihn gewohnt war.
Dennoch: Der Film ist höchst vergnüglich, zumal in seiner Origi- nalfassung, die durch den Gegensatz der verschiedenen Englisch- Varianten, der Sprachen und Idiome noch einmal ein Extra-Quentchen Charme bekommt und insgesamt ein zwar krass stilisiertes, aber doch zutreffendes Bild der pubertären Lüste und Nöte im Fünziger-Jahre-Australien zeichnet. Frauke Meyer-Gosau
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen