Freie Fahrt für dicke Pötte

■ Nach Anhörung von Verkehrsexperten: CDU hält weiter am Havelausbau fest / Wirtschaftssenat: Kleine Schiffe tun es auch

Berlin. Die Regierungskoalition im Senat hält weiter am mehrere Millionen Mark teuren Havelausbau fest. Nachdem der Verkehrsausschuß gestern Vertreter der Binnenschiffahrt, der Hafenbetriebe und des Aktionsbündnis gegen den Havelausbau angehört hatte, gab der CDU-Abgeordnete Reiner Giesel die Meinung seiner Fraktion wieder: Zum Havelausbau gebe es keine Alternative, wenn Berlin wieder, wie schon vor dem 2. Weltkrieg, „zum zweitgrößten europäischen Binnenhafen“ werden wolle. Und die von Experten prognostizierte Zunahme an Gütertransport könne nur durch ein verbessertes Wasserstraßensystem aufgefangen werden.

Die Anhörung war auf die Tagesordnung gekommen, nachdem die Fraktion Bündnis 90/Grüne beantragt hatte, das „Projekt 17 Deutsche Einheit“ der Bundesregierung zu stoppen. Im Rahmen des Projekts sollen Havel, Spree und Teltowkanal so ausgebaut werden, daß sie Frachtschiffe von 185 Metern Länge und 11,40 Breite befahren können. Bei der Ausschußsitzung erläuterte Egon Rasmus von der Wasser- und Schiffahrtsdirektion die Vorteile solcher Großschiffahrtsstraßen. Der Transport von Gütern auf dem Wasser sei umweltfreundlich und energiesparend, die Begradigungen an der Natur nicht annähernd so einschneidend wie häufig behauptet. Einzelne Havelseen seien bereits jetzt rund vier Meter tief, „die müssen dann nur um einen halben Meter vertieft werden“.

Ein Anlaß für Gundula Oertel vom Aktionsbündnis, die ökologische Unwissenheit der Verantwortlichen zu geißeln. Ein um einen halben Meter vertieftes Flußbett verändere die Strömungsverhältnisse, führe zu einer Dauerbelastung der Uferzonen und zerstöre die Lebensgrundlage mancher Pflanzen.

Grund zur Freude hatte dagegen Michael Cramer, umweltpolitischer Sprecher der Grünen. Der Vorschlag seiner Fraktion, den Ausbau auf Ausmaße für Europaschiffe (85 Meter lang, 9,5 Meter breit) zu begrenzen, wurde vom Senator für Wirtschaft und Technologie aufgegriffen. Lothar Stock von der Senatsverwaltung erklärte, daß man mit einer solchen Lösung vorerst auch leben könnte. ger