Prometheus auf dem Scheißhaus Von Thomas Pampuch

Liebe Marlene Streeruwitz, also diesen Abend im Münchner Werkraum-(Würgraum-?)Theater haben Sie mir gründlich versaut. Da das ja wohl die Absicht Ihres Stückes „New York, New York“ war, kann ich Ihnen nur gratulieren. So ein widerliches Brutalozeugs habe ich lange nicht mehr gesehen. Vom blutigen Nuttentotschlagen nebst Leichenschändung, über den Arschfick (mit der Klorolle am taubstummen, epileptischen Strichjungen vollzogen) bis zum Augenausstechen mit Stricknadeln. Und dazwischen immer diese doofen Japsen, die, wie man ja weiß, alles knipsen, und wenn es die letzte Perversität ist. Ham wir jelacht. Und dann noch ein armer Schwuler, noch ein paar geile Nutten etc. Die Welt, das Abendland, ja doch, wir haben's begriffen, ist ein Scheißhaus, der geblendete Professor tut irgendwie recht, wenn er das Zerdeppern von Klomuscheln zum unaufschiebbaren kathartischen Akt macht. Und jetzt ist eben die Klomuschel in der Bedürfnisanstalt der Wiener Burggasse dran, wo schon der Kaiser Franz Josef gepieselt hat.

Wie diesen Professor mit seiner Abortobsession zieht es Sie, liebe Marlene, in Ihren Dramen an die eher finsteren Orte dieser schlechten Welt: Überall wird vergewaltigt, gemordet, gekotzt. Das Welttheater als Abtrittposse, aufgemotzt mit Turandot-Arien, Playbacks und Klassikerzitaten. Collage eben, um nicht zu sagen Kotzage. Dazu – als Belohnung der fetten Bildungsbürger, die das alles ohne Murren ertragen – ein mythologisches Tiefsinnpuzzle. Klar, das Häusl ist irgendwie der Orkus, klar, die Klofrau Horvath, Zentralfigur in diesem Pissdämonium, ist irgendwie so was wie der Zerberus, und natürlich hockt hinter der schmuddeligen Wand kein Geringerer als der Herr Prometheus und leidet blutig. Oder jedenfalls so was ähnliches. Mag sich sonst ein Feuilleton damit rumschlagen, das genau zu dechiffrieren.

Mal ehrlich, was soll diese wieder und wieder gequirlte Gewaltscheiße? Ist das nicht alles längst abgelacht, abgelutscht, abgewichst? Wieviel Bühnen-Notzucht brauchen wir? In München kommen die armen Schauspieler derzeit kaum noch richtig in die Kleider. Was denn noch? Werden in Ihrem nächsten Stück Taboris echte Schafe vom Residenztheater ausgeliehen und sodomisiert oder was? Ich mag's nicht mehr sehen. Der Aufklärungswert andauernder Bühnenbrutalität scheint mir längst bei Null.

Dabei, daß wir uns recht verstehen, ist der Abort ein Ort, wo der Mensch viel lernen kann, und durchaus tauglich als moralische (Bedürfnis-)Anstalt. Wenn der arme Stricher mit den Stricknadeln herumspielt und dazu das kleine Radio die Nachtstudio-Oldies von Schwarzwaldspaziergang bis Petite Fleur runternudelt, ist das Scheißhaustheater vom Feinsten. Die Petite Fleur, liebe Marlene, bringt auf der Bühne viel mehr rüber als die große Sado- Maso-Fickerei.

Wie gesagt, die Bürger dieser Welt stecken inzwischen noch ganz andere Sachen lächelnd sabbernd weg. Schlimmstenfalls erklären sie es eben zur Kunst – genau das wird mit Ihren Stücken passieren. Nur: Sind Ihre Blut- und Hodenstücke nicht genau die Krankheit, für deren Entlarvung sie sich halten?