Für die "ganz Gescheiten"

■ Schwarzer Donnerstag bei der "Zeit"? Heute starten zwei Konkurrenzblätter

Die Marktwirtschaft liebt die Märchen. Besonders die von den Selfmade-Mannen, die auch jenseits der Lebensmittekrise noch ganze publizistische Reiche aufbauen oder zu Staub zerfallen lassen können. Und so ist es kein Wunder, daß der heute beginnende Wettbewerb der Wochenzeitungen Die Woche (Hamburg) und Wochenpost (Berlin) um die lesende „Elite“ nicht nur von den Medien-Fachdiensten zum Kampf der Titanen stilisiert wird.

Der Woche-Blattmacher Manfred Bissinger, hieß es, müsse antreten gegen den beleidigten Bertelsmann Gerd Schulte-Hillen vom Wochenpost-Verlag Gruner+Jahr (G+J). Schulte-Hillen nämlich hege immer noch einen heftigen Groll auf Bissinger, weil dieser ihn als geplanter Chefredakteur des G+J-Magazins Geo habe sitzenlassen. Bissinger sollte im vergangen Jahr eigentlich im Chefsessel von Merian zu Geo rüberrollen. Er hatte schon unterschrieben, blieb aber dann im alten Hause, als ihm von seinem Verleger Thomas Ganske (Hoffmann und Campe, Jahreszeiten Verlag) die Entwicklung der Woche angetragen wurde. Der Streit um Bissinger endete mit der Zahlung einer „Ablösesumme“ durch Ganske. Als nun die Wochenpost von G+J kürzlich verkündete, ihren zweiten Anlauf im Westen noch vor den terminierten Start der Woche (11. März) zu legen, war für alle Fachleute klar: Das Motiv ist Rache.

Bissinger reagierte und zog den ersten Erscheinungstag der Woche allein schon wegen der Namensähnlichkeit vor – auf den 18. Februar. Wochenpost-Chefredakteur Mathias Greffrath aber ließ sich nichts vermiesen und wählte ebenfalls einen neuen Termin: 18. Februar.

Mit dem Doppelstart von Woche und Wochenpost (die vierfarbig und mit jeweils 300.000 Exemplaren an die Kioske gehen) soll das Bildungsbürger-Blatt Die Zeit erstmals richtig herausgefordert werden. Dort gibt man sich hanseatisch wortkarg, was die neue Konkurrenz und ihre Konzepte betrifft. Man wolle erst mal „abwarten, was kommt“, was heute zu lesen ist.

Laut Bissinger wendet sich die Woche an die „Opionleader“, die „Meinungsbildner“, die „oberen 100.000“, „die ganz Gescheiten“ inklusive. Eine Gruppe, die laut Marktanalysen potentiell 4,4 Millionen Menschen umfassen kann. Die Leser sollen mit einem farbigen, graphiklastigen Blattkonzept gelockt werden. Es setzt auf Kürze, die Namen prominenter Autoren und ein handlicheres Format als das der Zeit. Gegen die bis zum Erbrechen zitierte „Bilderflut der elektronischen Medien“ soll der Verzicht auf „Symbolfotos“ helfen, hauptsächlich sollen Portraitfotos im Blatt landen. Umfang der Zeitung: maximal 32 Seiten. Da kommt nach Ansicht der Blattmacher Werbung gut zur Geltung, und die wird auch damit geködert, daß Anzeigen aus Hochglanz-Magazinen leicht auf Woche-Format gebracht werden können.

Das Blatt hat neben der Redaktion neun feste Autoren unter Vertrag. Dazu gehören Maxim Biller, Roger Willemsen, Mathias Bröckers. Nur eine Frau ist dabei: Sigrid Ulrich. Debatten statt Nachrichten-Nachklapp. Das klingt gut – doch brauchen wir wirklich eine gedruckte Talk-Show? Fraglich auch, ob sich die Edelfedern mit dem in der Pressemappe avisierten Höchstmaß von 150 Zeilen zufrieden geben. Frank Scheffter, Öffentlichkeitsarbeiter bei der Woche, erhöht bei taz-Nachfrage schon mal auf den „Richtwert“ 180.

Doch was ist, wenn das Konzept mit Mut zur Themen- und Marktlücke und die angeblich fünf Millionen schwere Werbekampagne keine Wirkung zeigen? Wird Jahreszeiten-Verleger Thomas Ganske sich dann auch noch Tempo oder die Prinz-Stadtmagazine, ebenfalls Blätter, die eher den roten bis rosa Zahlen zuneigen, leisten? Michael Kramer, Verlagsleiter bei Tempo, dementiert auf Anfrage stockend, daß Tempo in den Miesen sei. Es sei zwar kein „Gewinnblatt“, rechne sich aber im Markt, sei „ergebniswirksam“. Von entweder Tempo oder Die Woche könne keine Rede sein: „Beide Objekte sind dem Verleger wichtig.“ Und seine PR-Kollegin Sy E. Esterer meint: „Wir haben einen langen Atem.“

Die Konkurrenten von der Wochenpost in Berlin haben im Schnelldurchlauf nach eigenen Angaben nur eine „kleine Modernisierung“ vorgenommen und wollen „ein bewußtes Gegenkonzept zu bunt und kurz“ machen. Die Wochenpost muß westlicher werden, darf aber die Ostler nicht vergraulen. Ihre Hochburg sind immer noch die neuen Länder. Dort hielt sie von den exorbitanten 1,3 Millionen Exemplaren der DDR- Zeit bis heute immerhin 100.000. Im Westen, wo die Wochenpost schon seit dem ersten Fehlstart am 10. Oktober 1991 zu haben ist, werden nur 3.000 bis 6.000 Stück abgesetzt. Dort kommt das recht bieder aufgemachte, unbekannte Ostprodukt nicht an.

„Mehr Graphik und farbige Linien“ verspricht nun Wochenpost- Vize Max Thomas Mehr. Allerdings wolle man mit der Farbe „vorsichtig umgehen“. Vierfarb- Anzeigen: ja. Denn die wünsche man schon lange. Farbige Bilder zur Illustration: nein. Die seien zu aufdringlich. Inhaltlich, so Mehr, müsse die Wochenpost den vor zwei Jahren begonnenen „Ost- West-Spagat“ stärker betonen. Das heißt: mehr Westautoren in das Blatt, dessen Redaktion immer noch mehrheitlich aus Ostlern besteht. Angst vor dem Abfall der Ostleser von ihrem Wochenblatt hat Thomas Mehr, der wie Greffrath nur Wahlostler ist, nicht. Er macht sich Mut: „Wir können doch manchmal selbst kaum noch feststellen, ob ein Artikel nun von einem Westler oder Ostler geschrieben wurde.“

Bei G+J in Hamburg will man von dem Rachemotiv Schulte-Hillens nichts wissen. „Bei der Entscheidung, die Wochenpost in ganz Deutschland zu vertreiben, geht es ausschließlich um verlegerische Verantwortung und um Geld“, verkündet G+J-Pressesprecher Heinz Kirchner. Die Bertelsmänner, so scheint's, wollen es in Sachen Wochenpost — die eigentlich im Hause nicht sehr geliebt wird – noch einmal wissen. Die Entscheidung über Wohl oder Wehe, über den Mauersprung mußte jetzt oder gar nicht fallen, denn der Markt ist eng, was die Hilferufe von Traditionsprodukten wie Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt und Rheinischer Merkur und der dahindümpelnde Berliner Freitag beweisen.

Zwar setzt G+J jetzt mehr als eine Million Mark für eine Wochenpost-Werbekampagne ein, wirbt heftig in eigenen Organen wie dem Stern und stellt einen ganzen Stall seiner Westautoren zur Verfügung. Doch der letzte Aufruf für die Investition Wochenpost, könnte auch schnell zum letzten Aufgebot werden, wenn die Auflage im Westen nicht dauerhaft um einige zehntausend steigt. Hans-Hermann Kotte