Was ist das nur?

Yoko Ono wird heute sechzig Jahre alt. Gratulation  ■ Von Harald Fricke

Im Grunde müßte Klaus Theweleit seine Freude an der überlebendigen Künstlerin haben. Auch wenn es in der Beschreibung der Abschnitte im Leben Yoko Onos in fast allen Biographien heißt: vor, mit und nach ihrer Ehe mit John Lennon, so hat sich hier ausnahmsweise einmal das „Frauenopfer“ von der vereinnahmenden Produktion des Mannes emanzipieren können. Es gibt ein Künstlerinnenleben jenseits des (männlichen) Signifikats.

Yoko Ono wurde am 18. Februar 1933 in Tokio geboren, siedelte in den fünfziger Jahren nach New York über und schloß sich dort der Fluxus-Bewegung an, auf deren Happenings sie zum ersten Mal musikalisch in Erscheinung trat. Ihre frühen Kompositionen waren an das tonale Minimalmodell von John Cage angelehnt, dessen serielle Kompositionsweise sie allerdings mit Inbrunst um jenen fernöstlichen Hauch von Zen erweiterte, den der Meister allzeit gesucht hatte. Die Kritikerreaktion auf das atonale, wenn auch meditative Gekreische war überwältigend ablehnend. Auch bei späteren Kollaborationen mit Musikern wie Zappa, Clapton oder dem besagten Lennon attestierte man ihr einhellig absolute Unmusikalität. Mittlerweile gab es allerdings einige Kurskorrekturen, und die keifende Ono wird als Pionierin dessen angesehen, was man sich heute von der Weltmusik ersehnt – die Begegnung verschiedener Kulturen im pluralistischen Gewand.

Unbehagen löste bei Kritikern auch ihr unbesorgter Umgang mit feministischen Akzenten in einer Reihe von Experimentalfilmen aus. „Bottoms“ zeigte die blanken Ärsche von 365 Männern, die sie während der Aufnahmen zu ihren Gefühlen „so ganz nackt vor der Kamera“ befragte; in „Fly“ (1968) ließ sie fast 25 Minuten lang die Kamera über einem nackten weiblichen Körper kreisen, der mit Fliegen übersät war; und in „Rape“ (1969) wurde eine Frau stundenlang mit der Kamera auf der Straße verfolgt, bis jeder Einstellung das Paradox abgebildeter Gewalt eingeschrieben war. Während man Ono den freien Umgang mit dem Körper als publicityträchtigen Tabubruch auslegte, verstand sie als Künstlerin ihre Arbeit viel mehr als Überwindung gesellschaftlicher Barrieren, durch die Frauen permanent marginalisiert werden: „,Fly‘ ist ein sehr abstrakter Film gewesen, bei dem ich mehr als nur einen Körper und Fliegen zeigen wollte. Die Kamerafahrten entlang der Umrisse zeigen landschaftsähnliche Ausschnitte und Bilder. Sie geben ein passives Körpergefühl wieder. Der Film beschäftigt sich mit der Rolle der Frau. Nie ist sie ein Ganzes, immer ein Aus

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schnitt oder eine Funktion.“ Doch im selben Gespräch deutet Ono auch ihre Unsicherheit in bezug auf eine allzu klar definierte Position im Geschlechterkampf an: „Ich wußte zu dieser Zeit nicht einmal, daß sich eine Frauenbewegung überhaupt gebildet hatte. Als ich 1967 mit John zusammenkam, bemerkte ich nur ziemlich deutlich, was für eine unglaubliche Machowelt mich umgab, von der John ein Teil war.“

Yoko Ono führte ihren Kampf als Feministin an allen Medienfronten. Doch konnten sich schon aus der Fluxuskunst einzig Männer binnen kurzer Zeit in Galerien und Gruppenausstellungen etablieren, und die spektakulären Sleep-Ins des Popehepaares wurden allein als friedensbemühte Geste von Lennon gewertet: „Ich dachte: Was ist das nur? Archaik? Oder gar das Mittelalter? Ständig rätselte ich darüber, ob es mir persönlich oder meiner Rolle als Frau zuzuschreiben war, wenn man mir die Beteiligung an Gruppenausstellungen verweigerte. Dann endlich wurde mir klar, daß ich mich in einer absoluten Macho-Gesellschaft befand – Ich war eine Frau!“

Dieser Erkenntnis ließ Ono ein gewaltiges Statement folgen. „Woman is the Nigger of the World“ hat als Parole bereits lange vor jeder pc-tauglichen Rassismus- und Genderdiskussion ein Zeichen der nicht zu versöhnenden Herrschaftsverhältnisse gesetzt. John Lennon konnte damit einen weiteren Hit landen.

Ganz ist die verliebte Feministin dem Double-bind von Ehe und Karriere nie ausgewichen: „Ich war das Symbol für Haß und Abscheu, die Frau, der die Presse ihre ganze Wut entgegenbrachte; erst hat man mich als Ehefrau von John Lennon ignoriert; dann wurde ich seine Witwe und schließlich haben die Medien auch an mir etwas Bemerkenswertes entdeckt.“ Die Eigenständigkeit der Künstlerin sollte als Folgeerscheinung der Legende vom toten Beatle nicht zu gering eingeschätzt werden. Als Lennon mit „I want to hold your hand“ die Welt eroberte, war Yoko Ono bereits zu sehr mit Zwölftonkompositionen beschäftigt, als daß sie diesen Lockungen nachgegeben hätte. Über ihre Partnerschaft berichtet sie ziemlich nüchtern: „Ich war eine extrem kopflastig eingestellte Person, die dann zu ihrem Körper gefunden hat.“ Bei Theweleit kann man von hundert anderen Beispielen der Geschichte das Gegenteil erfahren. Harald Fricke

Zum 60. Geburtstag von Yoko Ono zeigt die Stiftung Starke in Berlin unter dem Titel „Color, Fly, Sky“ noch bis zum 9. Mai Filme und Installationen der Künstlerin.